
„Du musst lernen, Dich selbst zu lieben“ oder: „Nimm Dich an, wie Du bist“, sind wohl die häufigsten Sätze, die fallen, wenn sich jemand unzufrieden mit sich selbst zeigt. Diese Sätze sind so leicht daher gesagt, doch Selbstliebe und Selbstakzeptanz sind die schwierigsten Kunststücke unseres Lebens. „Liebe Deinen nächsten wie Dich selbst“ – das ist oft so schwierig, weil man sich selbst vielleicht oft nicht liebt, ja vielleicht sogar hasst. Es macht wenig Sinn, sich die Selbstliebe zwanghaft aufzuerlegen. Selbstliebe und Selbstinteresse entstehen vor allem dadurch, dass wir in vielen Phasen des Lebens von anderen liebevoll und mit Interesse angeblickt werden – von Mutter und Vater, von Lehrern, vom Partner, vom Psychoanalytiker.
Selbstliebe hängt auch von inneren Objekten ab
Wir alle leben mit inneren Stimmen und mit den Bildern von den Menschen, die uns ganz nahe sind oder waren. Besonders stark wirken Mutter und Vater in uns nach – manchmal nur als vages Gefühl, manchmal als konkrete Vorstellungen. „Du sollst Dir nichts gönnen, weil es mir selbst auch nie gut ging“, könnte ein typischer Satz eines schlechten inneren Objektes sein. Vielleicht hat uns unsere Mutter so eine Einstellung vermittelt, weil es ihr selbst nie allzu gut ging.
Wir leben nicht gerne in einem Wohnzimmer, dass wir mit spitzen, hässlichen, dunklen, lieblosen Gegenständen zugestellt haben. Wir wünschen uns eine aufgeräumte, gute Wohnung, in der wir uns wohlig fühlen können. So ist es auch mit unseren „inneren Objekten“. Wenn wir es überwiegend mit guten, weisen und wohlwollenden Menschen zu tun hatten, können wir uns selbst auch leichter lieben. Die innere Beziehung zu unseren inneren Objekten zu verändern bedeutet auch, die Beziehung zu uns selbst zu verändern – und das ist oft eine lebenslange Aufgabe.
Hass und Liebe liegen nah beieinander
Liebe kann ganz schnell in Hass umschlagen, wenn der, den wir lieben, uns nicht zurück liebt oder wenn wir das Gefühl haben, dass der, den wir lieben, uns etwas verwehrt. Wenn wir unseren Körper lieben wollen und der antwortet mit Kopfschmerzen, wird’s schwierig. Wir lieben uns nicht nur, sondern wir mögen uns auch allzu oft nicht. Es kann auch sein, dass wir mit chronischem Hass auf uns selbst zu kämpfen haben. Außerdem greifen wir uns innerlich oft selbst an, wenn wir den anderen vor unseren Angriffen schützen wollen. Wenn der andere uns wütend gemacht hat, wir aber Angst vor ihm haben, dann kann es passieren, dass wir die Aggression gegen uns selbst richten. „Selbst schuld“, klagen wir uns an, „hättest Du mal dies nicht gesagt oder jenes nicht getan.“ Der Vorwurf, den wir gegen uns selbst richten, sollte in diesem Fall eigentlich zum anderen gehen. Oder besser gesagt: Vorwürfe sind für nichts gut – über die Probleme zu sprechen, ist hingegen oft wirkungsvoll.
Schuldgefühle machen uns die Selbstliebe oft besonders schwer. Habe ich etwas scheinbar unwiderruflich zerstört? Habe ich einen schweren Fehler begangen, der mich ein Leben lang begleiten wird? Habe ich ein Schicksal erleiden müssen, das mein Leben grundlegend verändert hat? Hier den Weg zurück zur Liebe zu finden, ist oft enorm schwer.
Um sich selbst zu lieben, sind liebevolle Beziehungen notwendig
Wer wenig liebevolle Eltern hatte, dem fällt es oft sehr schwer, sich selbst zu lieben und anzunehmen. Wenn wir wenig Liebe erleben durften, versuchen wir möglicherweise, den Mangel durch Leistung wettzumachen (siehe Narzissmus). Vielleicht suchen wir uns Freunde aus, die ähnlich kritisch, grenzüberschreitend oder verächtlich sind wie die Eltern es waren. Fast unbemerkt bleiben wir am Gewohnten hängen.
Vielleicht haben wir erst in einer gesunden Liebesbeziehung, in einer respektvollen Lehrer-Schüler-Beziehung, in einer Psychotherapie oder Psychoanalyse das Glück, mit neuen Augen angesehen zu werden. Der verständnisvolle, liebevolle, wohlwollende und interessierte Blick des anderen weckt in uns das Gefühl, dass wir liebenswert sind. Ein warmherziger Blick kann alles verändern.
Unser Körper bestimmt mit, wie sehr wir uns selbst lieben
Ob wir uns lieben können oder nicht, hängt auch stark mit unserem Körper zusammen. Ist er gesund? Können wir uns auf ihn verlassen? Haben wir uns mit ihm ausgesöhnt? Finden wir uns zu dick, zu dünn, zu ungelenk? Viele Menschen haben als Kinder medizinische Maßnahmen über sich ergehen lassen müssen. Diese Therapien haben ihnen oftmals vermittelt, dass mit ihnen etwas nicht stimme. Sie waren vielleicht quälend und einengend. Manche Kinder werden mitten in der Stadt groß, ohne dass sie die Erfahrung machen können, dass warmer Regen auf ihre nackte Haut fällt, sie barfuß über Wiesen rennen oder frischer Wind sie streichelt.
Oftmals führen Aktivitäten, die unserem Körper gut tun, gleichzeitig dazu, dass wir uns selbst gegenüber mehr Liebe empfinden können. Beispielsweise führt regelmäßiges Yoga häufig dazu, dass man zu sich selbst eine bessere Beziehung bekommt und dadurch auch mit anderen gelassener, achtsamer und liebevoller umgehen kann. Das wiederum führt zu mehr Resonanz und Empathie bei den anderen, die liebevoller auf uns reagieren können, sodass ein guter, sich selbst verstärkender Kreislauf entsteht. Das Liebevolle wird so immer selbstverständlicher und alltäglicher.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 25.9.2012
Aktualisiert am 13.6.2021
Fips meint
Finde ich auch, @Roland.
Roland meint
Vielleicht sollte man statt dessen einfach sagen: „Ich hab dich gern!“