Verfolgungswahn – wenn einem was „nachläuft“

Eine Art von „Verfolgungswahn“ kennen wir wahrscheinlich alle: Wir haben etwas Verdorbenes gegessen und das „rennt uns immer noch nach“. Die Bilder, den Geschmack und den Geruch des Essens können wir nicht vergessen. Wenn wir nur dran denken, könnten wir k…. Hier können wir gut erkennen, wie wir durch etwas „verfolgt“ werden, was wir in uns aufgenommen haben. Beim Verfolgungswahn ist es ähnlich: Das, wovon sich der Mensch in der Psychose verfolgt fühlt, ist häufig schon „in ihm drin“.

Verfolgungswahn kann aus vielen Gründen heraus entstehen. Menschen mit einer Psychose fühlen sich oft verfolgt, z.B. von Stimmen oder von anderen Menschen. Sie haben das Gefühl, die Blicke der anderen lasteten nur auf ihnen.

Beim Verfolgungswahn scheint etwas von außen zu kommen, was eigentlich innerlich stattfindet.

Über die Projektion kann auch bei „Gesunden“ das Gefühl entstehen, auf eine gewisse Art verfolgt zu werden. Beispielsweise haben aggressionsgehemmte Menschen oft das Gefühl, andere seien „böse“ oder „sauer“. Oft sehen sie in den anderen die Wut, die sie selbst jedoch nicht spüren. Manchmal „machen“ sie den anderen auch wütend (via Projektive Identifikation), das heißt, der andere reagiert tatsächlich wütend.

Nicht zu vergessen beim Verfolgungswahn ist der Körper. Körperhaltungen, die eingenommen wurden, als man Traumatisches erfuhr, können wirken wie ein Trigger. Wenn ich weglaufe, atme ich schnell. Eine schnelle Atmung kann das Gefühl von Verfolgtwerden verstärken.

Aggressionen wiegen schwer

Wird die eigene Wut nicht gespürt, finden wir sie oft in den anderen Menschen wieder. Dadurch entsteht zum Einen das Gefühl von Schwäche (weil man ja etwas von sich weggegeben und in einen anderen „hineingelegt“ hat) und zum Anderen das Gefühl von Angst, denn die Wut, die „beim anderen“ ist, könnte jederzeit zu einem zurückkehren, das heißt, es könnte jederzeit die eigene Wut auftauchen und gespürt werden. Das macht Angst.

Ganz schrecklich verfolgt fühlen sich Menschen oft auch von ihrem eigenen malignen Introjekt.

Psychotische Menschen malen oft Bilder, auf denen viele Augen zu sehen sind. Sie fühlen sich durch viele Blicke verfolgt. Über den Blick hat der Philosoph Jean-Paul Sartre viel geschrieben. Die Betroffenen hatten oft in ihrer Familie keinen „Privatraum“. Mutter und Vater haben „das Eigene“ des Betroffenen nicht akzeptiert. Häufig durfte der Betroffene nicht „die Tür zu machen“, also sich abgrenzen.

Die Mütter von Menschen mit Psychosen sagten häufig so etwas wie „Der liebe Gott sieht alles“ oder „Du bist für mich wie aus Glas“ (der Psychoanalytiker Harold Searles berichtet davon).

Telepathie?

Manche Menschen mit „Verfolgungswahn“ haben oft auch „telepathische Erlebnisse“. Paradoxerweise treten diese Erlebnisse nicht dann auf, wenn ein anderer Mensch sie versteht, sondern eben dann, wenn die Betroffenen sich permanent unverstanden fühlen. Dann beginnen sie in der Phantasie eine Nähe ohne Grenzen zum anderen herzustellen. Das Ziel ist es eigentlich, das Gefühl von Isolation zu überwinden, doch dies schlägt häufig um in das Gefühl, keine Grenze mehr zu haben und vom anderen verfolgt zu werden.

Kleine „Verfolgungswahne“ haben wir, wenn wir quasi narzisstisch träumen: Wenn wir tanzen oder ein Instrument gut spielen, stellen wir uns vor, wie der andere uns zusieht oder zuhört. Dann spüren wir mitunter eine große Nähe – wir sind fast ein bisschen überzeugt davon, dass der andere uns sehen oder hören kann. Auch hier spielt die Sehnsucht nach Kontakt und Bewundertwerden eine große Rolle.

Häufig aber ist der Verfolgungswahn (die Paranoia) mit sehr großer Angst verbunden. Die Betroffenen sind darauf angewiesen, die Erfahrung zu machen, dass sie ein abgegrenzter Mensch sind, der nicht verletzt wird. Überdies müssen sie oftmals sehr langsam lernen, ihr strenges „Über-Ich“ zu lockern, sodass sie ihre eigenen aggressiven Gefühle, aber auch Wünsche und Sehnsüchte wahrnehmen können. Hierzu ist oft eine jahrelange, hochfrequente Therapie notwendig, in der viel „richtiges“ Containment stattfindet.

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