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Aktuelle Seite: Startseite / Psychoanalyse / Psychose: weil ein anderer eindrang

Psychose: weil ein anderer eindrang

18.07.2020 von Dunja Voos Kommentar verfassen

Menschen mit schweren psychischen Störungen sind meistens schwer (früh-)traumatisiert. Viele mussten erleiden, dass nahe Bezugspersonen ihre psychischen und körperlichen Grenzen missachteten. Mutter und/oder Vater drangen mitunter mit körperlicher Gewalt in den Körper des Betroffenen ein oder aber es gab ein Eindringen in die Psyche: Wenn ein Kind ‚Nein‘ sagte, wurde es nicht gehört. Wenn es etwas wahrnahm, wurde ihm gesagt, seine Wahrnehmung sei falsch. Es wurde in körperliche Zwangspositionen gebracht, es wurde festgehalten, eingesperrt und alleingelassen. Es wurde versucht, ihm Wünsche, Gefühle und Vorstellungen aufzuzwingen.

Manche Betroffene erlebten auch, von der Mutter mit Essen zugestopft zu werden, andere erlebten sexuelle Penetrationen durch die Mutter, den Vater oder andere nahestehenden Bezugspersonen.

Wenn die Grenze eines Kindes nicht geachtet wird, verschwimmen auch die psychischen Grenzen oder besser gesagt: Die Grenzen werden erst gar nicht aufgebaut. Dadurch kann psychosenahes oder psychotisches Erleben entstehen.

In der Psychose regiert der Primärprozess

Die Psychologin Jacqueline de Oliveira Moreira und der Philosoph Carlos Roberto Drawin (Youtube) haben in ihrem Artikel „Possible relation between psychosis and the unconscious“ (Die mögliche Beziehung zwischen Psychose und Unbewusstem“, Frontiers in Psychology, 2015) die Schriften Freuds in Bezug auf das Thema „Psychose“ untersucht. Sie können bestätigen, was Freud schon 1915 in „Das Unbewusste“ beschrieb: In der Psychose ist der Primärprozess dominant.

Der Primärprozess sei so etwas wie ein „freier Fluss der Energie“ („free flow of energy, S. 3). Freud sprach vom „widerstandslosen Strömen der psychischen Energie“ (Sigmund Freud: Entwurf einer Psychologie, 1895). Das lässt sich leicht nachvollziehen, wenn wir an unsere Träume denken: In unseren Träumen denken wir „primärprozesshaft“ – ein Bild geht in das andere über. Träumen fühlt sich „schwebend“ oder auch „fließend“ an. Die Dinge passieren im Traum „automatisch“ – nur im luziden Träumen haben wir die Möglichkeit, den Traum bewusst zu steuern.

Bei der Psychose wirkt es so, als sei die Grenze zwischen Bewusstem und Unbewusstem nicht (mehr) sicher. Die Grenzen wackeln, das Bewusste wird immer wieder vom Unbewussten „bedroht“. Auch bei schweren Angststörungen kann psychosenahes Erleben regelmäßig vorkommen.

Eingedrungen

Psychisch schwer erschütterte Menschen haben oft das Gefühl, von jemand oder etwas anderem regelrecht durchdrungen zu werden („These individuals appear to be constantly invaded by the other“ S. 2). Manchmal entsteht auch das Gefühl, von jemand oder etwas anderem übernommen zu werden („… the individual is taken over by the other, by a stranger who inhabits his/her body“ S. 2 = „… das Individuum wird vom anderen übernommen, von einem Fremden, der seinen/ihren Körper bewohnt“).

Im psychotischen Erleben fühlt sich der Betroffene durch das Eingedrungene nicht mehr wie er selbst. Er erkennt sich selbst nicht mehr und spricht von sich selbst mitunter in der dritten Person. Auch andere Autoren (z.B. Christopher Bollas oder Bertram Karon beschreiben, dass die Betroffenen in der Psychose seltener als sonst Personalpronomina (Ich, Du, Er/Sie/Es, Wir, Ihr, Sie) verwenden (siehe auch Joachim Küchenhoff: Die Suche nach dem Subjekt im psychotischen Erleben).

Interessant dabei ist, dass ja auch kleine Kinder nicht von „Ich“ sprechen, sondern ihren Vornamen verwenden und von sich in der dritten Person sprechen. Manchmal kommt es mir so vor, als seien sie selbst die beobachtenden Eltern, als würden sie sich selbst aus der Sicht der Eltern betrachten.

Das Realitätsprinzip wird beiseite gelegt

Moreira und Drawin erklären, dass Freud oft missverstanden wird, wenn er sagt, dass die Psychose näher am Lust-/Unlustprinzip als am Realitätsprinzip ist. Damit sei nicht gemeint, dass der Psychotiker in seinem Erleben die Lust sucht (was natürlich auch vorkommen kann), sondern dass er sich eher in der psychischen Funktions-Ebene dieses Prinzips befindet als auf der Funktions-Ebene des Realtiätsprinzips.

Der Psychotiker erlebt den reinen Terror, wie z.B. Bertram Karon betont. Auch die ehemals schizophrene Patientin Catherine Penney sagt im Film „Take these broken wings“, dass man das psychotische Erleben einfach nur als „Terror“ bezeichnen könne.

Freud entwickelt seine Theorien weiter und erklärt, dass es etwas Weiteres geben muss, nämlich den Todestrieb, der „jenseits des Lustprinzips“ (1920) wirkt. Im Todestrieb werde dem psychischen Funktionieren eine „extreme und zerstörerische Grenze“ gesetzt, so Moreira und Drawin (S. 3/4). In der Psyche stünden sich nach Freud zwei Tendenzen gegenüber: einmal das Konstanzprinzip, bei der die Psyche den Zustand des Gleichgewichts sucht und einmal die Tendenz, zum Tode zurückzukehren (Moreira und Drawin, S. 4).

Während gesunde Menschen zumeist die frühe Erfahrung mit der „ausreichend guten Mutter“ gemacht haben, erlebten Psychotiker ihre Mütter häufig als invasiv, zerstörerisch, laut, nicht verlässlich und (den Körper) nicht haltend. Dieses Grundgefühl führt sich mitunter bis ins Erwachsenenleben hinein fort.

Ständige Angst vor der Pulsation des Unbewussten

Moreira und Drawin beschreiben, wie das Unbewusste pulsiere und dadurch immer wieder ins Vorbewusste dringt, was den Betroffenen in ein schreckliches Erleben führe. So wird es auch verständlich, dass schwer psychisch Kranke oft eine große Angst vor ihrem eigenen Unbewussten haben: Sie fühlen sich im Kontakt mit dem Unbewussten außer Kontrolle und ohne Bezug zu etwas, das ihnen Halt gibt.

So versuchen die Betroffenen, den Kontakt zu ihrem Unbewussten fernzuhalten – manche gehen nicht ins Kino, beschäftigen sich nicht mit ihren Träumen, lesen keine Romane und meiden Kunst und Musik. Sie hängen fest auf dieser Ebene. Das Fernhalten und Verdrängen kostet viel Kraft und vergrößert mitunter die Angst. Es ist häufig notwendig, dass ein anderer da ist, wenn sich der Betroffene mit seinem Unbewussten auseinandersetzen will. Bei schweren Störungen hilft aus meiner Sicht daher die Psychoanalyse am besten, weil da „der Andere“ (der Analytiker) intensiv genug da ist, um die Begegnung mit dem Unbewussten zu riskieren.

Ein neues „Anderes“ kennenlernen

Die Begegnung mit „dem anderen“ versetze den Betroffenen in Angst und Schrecken.

Moreira und Drawin schreiben: „… therefore, it appears that the other (stranger), who frightens the psychotic individual and invades his/her body represents the imaginary image of death drive, and the insense suffering that it produces testifies not the return of what has been repressed, as happens in neurosis, but the threatening and disruptive presence of a pulsating unconscious“ (S. 4).

Das Unbewusste selbst ist vor dem Hintergrund der schrecklichen frühen Erfahrungen extrem bedrohlich geblieben bzw. geworden. Es ist roh. Der Betroffene sei darin gefangen und habe „keinen Kontakt zum stablisierenden Gegenpunkt der sozialen Realität“, so Moreira und Drawin (S. 4).

Ein verlässlicher anderer fehlt

Moreira und Drawin schreiben, dass die psychotische Episode dann kommt, wenn es um den Betroffenen finster wird (S. 4), wenn er den Verlust eines Objektes erlebt („when facing the frustration of the loss of an object“, S. 4). Ich frage mich, ob es nicht besser heißen sollte, „when facing the frustration of the loss of a reliable object“, also wenn der Betroffene den Verlust eines „verlässlichen“ Objektes erlebt (sei es real oder in der Phantasie).

Der Betroffene hat dann keinen Halt mehr und zieht sich in sich selbst zurück – vielleicht wie ein Kind, das merkt, dass es wirklich „kranke, verrückte Eltern“ hat. Dann merkt es: Es ist immer noch besser, sich auf meinen kleinen „gesunden“ Anteil zurückzuziehen, als mich diesen verrückten Eltern auszuliefern. Daher grenzt die Psychose auch so nah an den Narzissmus – es ist ein Stadium der Beziehungslosigkeit. Nur noch die Beziehung zu sich selbst ist da.

Gesunde finden Halt im Anderen, in der Andersartigkeit – die soziale Welt da draußen hält sie. Sie haben die Vorstellung, dass es da etwas Haltendes gibt, wenn sie selbst schwach werden. Bei Menschen mit Psychosen erscheint es fast umgekehrt: „Da draußen ist nichts, das mich hält. Die Andersartigkeit oder der andere ist nur noch erschreckend. Mir bleibt nichts anderes, als mich auf mich zurückzuziehen, doch da ist es leer und chaotisch“, könnte der Betroffene „denken“.

Wenn dem Psychotiker „der/das andere“ erscheint, dann habe er es mit dem eigenen erschreckenden Unbewussten zu tun, ohne sozialen Halt von außen (Moreira und Drawin, S. 4).

Der Wahn habe dabei mitunter eine „ordnende Funktion“ für den Psychotiker in seiner chaotischen Welt (S. 4).

Das Problem des Automatismus

„Mental automatism, common in psychosis, may be understood as the presence of an other, of an exteriority, in the core of a person’s intimacy“ (S. 4). „Der mentale Automatismus, wie er oft in der Psychose gefunden wird, kann verstanden werden als die Anwesenheit eines anderen, einer Äußerlichkeit, im Herzen der persönlichen Intimität.“

Der Psychotiker sehe sich dem mentalen Automatismus ausgeliefert – er leide unter „Invasionen, Misshandlung, Usurpation (= Machtergreifung), Stimmen, die schreien und anderen aufdeckenden Phänomenen eines Fremden, der den eigenen Geist bewohnt und die Idee von Einheit und Identität zunichte macht“ (S. 4).

Mithilfe des Psychoanalytikers könne der Psychotiker ein neues Bild von „Alterität“, vom Anderen und Fremden, eben vom „Unterschied“ erlangen. Dies sei oft eine äußerst schwierige Aufgabe, gerade auch im Kontext von negativen Übertragungen (S. 4). Doch bereits Freud habe diese immensen Schwierigkeiten erkannt und Moreira und Drawin verstehen ihn so, dass es ein wirklicher ethischer Imperativ („a true ethical imperative“) für den Analytiker sei, mit diesen Patienten zu arbeiten.

Verwandte Artikel in diesem Blog:
  • Christopher Bollas (Buchtipp): Wenn die Sonne zerbricht
  • Bertram Karon (Buchtipp): Psychotherapie der Schizophrenie
  • Joachim Küchenhoff: Die Suche nach dem Subjekt im psychotischen Erleben
  • Der Dämon in uns
  • Wortvorstellung und Sachvorstellung
  • Malignes Introjekt – wie kann ich mir das vorstellen?
  • Harold Searles und die Psychosentherapie
Literatur:

Jacquline de Oliveira Moreira and Carlos R. Darwin:
Possible relation between psychosis and the unsconscious:
a review of „The Unconscious“ by Freud

Mini Review. FRontiers in Psychology, Open Access, published 15. July 2015, doi: 10.3389/fpsyg.2015.01001
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2015.01001/full

Tipp:

Riccardo Lombardi:
Formless Infinity: Clinical Explorations of Matte Blanco and Bion
Jan 2015
https://www.researchgate.net/publication/282954903_Formless_Infinity_Clinical_Explorations_of_Matte_Blanco_and_Bion

Riccardo Lombardi (2016):
Metà prigioniero, metà alato. La dissociazione corpo-mente in psicoanalisi.
https://www.spiweb.it/libri/meta-prigioniero-meta-alato-la-dissociazione-corpo-mente-in-psicoanalisi-riccardo-lombardi-bollati-boringhieri-2016/

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Kategorie: Psychoanalyse, Psychose Stichworte: Psychoanalyse, Psychose

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