
Schämt man sich, so kann es sehr schwierig sein, ein Wort herauszubringen. Manchmal schämt man sich auch, ein bestimmtes Wort zu sagen oder gar es nur zu denken. Es kann auch sein, dass man sich schämt, bestimmte Sätze zu sagen. Die Scham kann unüberwindbar erscheinen. Scham, Körper und Sprache hängen eng zusammen, obwohl sich auch schon Babys im vorsprachlichen Bereich schämen können.
Wie eingefroren
Der Londoner Präsentations-Experte Geoffrey Owen (2014) beschreibt in seinem Video sehr gut, wie die Scham einen zum Einfrieren bringen kann („How shame can affect your ability to communicate“, Youtube). Er sagt, dass man sich dann schämt, wenn man das Gefühl hat, man sei nicht willkommen. Owen erklärt, dass man nicht völlig präsent ist in dieser Welt, wenn man sich schämt. Die Scham wiederum habe ihre Quelle in nicht ausgedrückten Gefühlen, Gedanken und Ideen.
Gefrorene Wut
Geoffrey Owen erklärt, dass Scham „eingefrorene Wut“ sein kann. Er beschreibt, wie man als Kind vielleicht beschämt wurde, nachdem man sich spontan geäußert hat. Alle Augen starren einen an. Man selbst wird rot, es wird einem heiß, aber man versucht, seine Form zu wahren. In diesem Moment ist man nicht nur „beschämt“, sondern auch wütend auf die, die einen so eingrenzen und die einen beschämen. Die Scham, die eingefrorenen Gefühle, machen dann, dass man sich von sich selbst und auch von den anderen entfernt. Man entferne sich von der eigenen Authentizität, so Owen. Doch sobald man wieder „präsent“ sein könne, werde es wieder möglich, spontan zu sein.
Die Befreiung klappt mit viel Geduld und in kleinen Schritten
Einmal durch Scham so verbarrikadiert, kann man sich häufig nur durch Mini-Schritte und mit viel Geduld und Verstehen befreien. Wenn man das Wort/die Wörter sagt, das/die man meint, kann man wieder eine Verbindung zum anderen herstellen. Manchmal aber kann man den anderen aber damit auch zurückstoßen, oder man denkt, man würde den anderen damit zurückstoßen.
Sexueller Missbrauch als Quelle der Scham
Missbrauchte Menschen leiden oft darunter, dass sie – wie sie meinen – ungewöhnliche sexuelle Phantasien, Wünsche und Gedanken haben. Sie schämen sich dafür so sehr, dass sie diese Bilder, Worte und Gedanken tief verdrängen. Dadurch passiert es andererseits immer wieder, dass diese sexuellen Themen irgendwo aus ihnen „rausrutschen“ und sie sich dann schämen für das, was sie gesagt haben. Möglicherweise ist dies ein Kampf, den viele Zwangskranke oder Menschen mit Tourette-Syndrom innerlich kämpfen. Hier hilft es, sich dieser Gedanken, Phantasien und Körpergefühle wieder bewusst zu werden, um sie zu steuern.
Owen hat sich selbst mit der Kamera geholfen
Geoffrey Owen litt selbst unter starken Schamgefühlen. Er half sich selbst, indem er sich eine Kamera besorgte und sich filmte. Die Kamera ist der Beobachter, quasi das Auge, das man fürchtet. Gleichzeitig kann man beim Anschauen des Films analysieren, wie das Scham-Geschehen funktioniert.
How shame can affect our ability to communicate and show up in the world from Geoffrey Owen on Vimeo.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 4.7.2016
Aktualisiert am 9.7.2020
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