
Beim Körper kann man sich das noch gut vorstellen: Es gibt Schmerzen, die sind so schlimm, dass man nicht mehr leben möchte. Krebskranke sind am Ende häufig davon betroffen. Aber auch psychischer Schmerz kann so groß und überwältigend sein, dass man sich fragt, wie man damit leben soll.
Zu diesen überwältigenden Gefühlen zählen oft tiefe Einsamkeit, massiver Mangel, langanhaltende Angst, Hass oder Trennungsschmerz. Der Schmerz ist zu groß, als dass man „darüber“ meditieren könnte. Manche versinken im Alkohol, in Schmerzmitteln oder Psychopharmaka. „Ich fühle mich kurzzeitig besser, obwohl sich ja an der Situation nichts geändert hat“, sagen manche dann.
Wie kann es außen anders werden?
Die Situation müsste sich ändern, damit dieser Schmerz aufhört, neigt man zu denken. Inneres Gefühl und äußere Situation sind oft tief gemeinsam verankert. Man wurde vielleicht alleine in diese Welt gesetzt und findet bis heute scheinbar nichts und niemanden, zu dem man gehört.
Beziehungen wachsen über die Jahre, doch wenn es keine familiären Beziehungen gibt (oder man mit diesen Beziehungen nichts anfangen kann), wenn keine intimen Beziehungen gewachsen sind, sieht man sich vielleicht immer wieder alleine dastehen und fragt sich, ob noch ein Wunder geschehen kann.
Was sich ändern kann, ist, dass das „Wenn, Aber und Hätte“ entfällt. Man bereut so vieles: „Wenn ich doch nur … hätte, dann wäre heute die Situation anders.“ Aber dann spürt man vielleicht: Man hätte nicht anders können. Die Situation war so, dass es nur in diese Richtung gehen konnte. Man war – und ist es vielleicht noch – ausgeliefert.
Die Hoffnung auf neue Begegnungen aufrechtzuerhalten, gibt Halt. Auch die Neugier kann helfen, den unaushaltbaren Schmerz auszuhalten: Wie geht es weiter? Welche Überraschungen hält das Leben vielleicht doch noch für mich bereit? Diese Neugier kann nähren, selbst wenn man damit das Risiko eingeht, am Ende festzustellen, dass keine rettende Veränderung kam.
Im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ wacht der Wetterreporter Phil jeden Morgen am selben Tag auf. Es erinnert einen daran, wie man selbst jeden Morgen wach wird und merkt: Es hat sich nichts geändert. Aber im Film fängt Phil an, sich zu bewegen: Er lernt! Er lernt Klavier, lernt die Menschen kennen, ist neugierig, arbeitet jeden Tag in tiefer Verzweiflung an sich selbst und seinen Fähigkeiten – und auch an der Liebe.
Im „Ora et labora“ (bete und arbeite) steckt vielleicht tiefe Verzweiflung, aber auch eine tiefe Hoffnung: Wenn das, was ich jetzt lerne, was ich jetzt arbeite, mache und tue, gut ist, dann wird es zu etwas Gutem führen. Es ist nicht für die Katz‘. Es wird sich etwas entwickeln. Auch, wenn man 20 Jahre – bildlich gesprochen oder real – im Gefängnis sitzt. Manchmal gibt man zeitweise auf, doch dann findet man die Kraft, in kleinen Schritten weiterzumachen.
Annehmen
„Und wenn der Schmerz doch so groß ist, dass er mich umbringt? Vielleicht entsteht Krebs, vielleicht auch ein Herzinfarkt?“, könnte man manchmal denken. Dann ist auch das so. Ohne Hätte, Wenn und Selbstvorwürfe. Man kann dem Lauf der Dinge zuschauen, sich selbst beobachten und offen bleiben für den eigenen Schmerz. Wer das Glück hat, diesem Schmerz in einem Gespräch Raum zu geben, der fühlt sich danach vielleicht schon etwas entlastet.
Das Gefühl, dass man den Schmerz wirklich mit jemandem teilen konnte, dass er jetzt auch von einem anderen in Gedanken, Wissen und Erinnerung durch diese Welt getragen wird, kann schon wie eine kleine Befreiung aus seinem Gefängnis wirken. Wenn man es dann zeitweise, phasenweise oder auch für lange Strecken schafft, seinen Hass, Groll und Neid abzulegen, bleibt der Weg offen für Neues.
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