
Wir meinen, wir träumten nur nachts. Sicher kennen wir „bewusste“ Tagträume. Aber wir „träumen“ auch tagsüber so, wie wir nachts träumen. Wir bekommen es nur nicht richtig mit. Diese Überzeugung hatte der Psychoanalytiker Wilfred Bion (1897-1979). Er setzte das Träumen teilweise mit der Alphafunktion gleich: Wir verarbeiten Stimuli, die von innen und von außen an uns herankommen, sodass sie für uns sinnvoll und einordenbar werden.
Aus diffusen „Proto-Emotionen“ werden reife Emotionen, die wir benennen und verarbeiten können. Aus „verrückten“, rohen Gedanken werden „vernünftige“ Gedanken, aus Unbewusstem wird Bewusstes und umgekehrt. Wenn wir einmal genau darauf achten, können wir manchmal den Traum am Tage wahrnehmen.
„Freud (1900a) considered the function of dreaming to be to preserve sleep from disturbing latent content from day residues (pp. 233-234). Bion, in extending the range of dreaming to occur throughout the day and night, postulated that dreaming, which is at times indistinguishable in his writings from alpha-function, serves to process and meaningfully transform incoming stimuli from within and without. These stimuli are the sensory stimuli of emotional experience … (Bion) suggests yet another function for dreaming: creative revelation or scanning of clinical as well as non-clinical phenomena.“ (S. 279: Grotstein: A Beam of Intense Darkness, Karnac Books, 2007).
(Frei und mit möglichen Fehlern übersetzt:)
„Freud (1900a) verstand die Funktion des Traumes (unter anderem) so, dass er unseren Schlaf vor störenden Tagesresten schützen sollte. Bion verstand den Traum als einen Vorgang, der sowohl nachts als auch tagsüber abläuft. Er setzte den Traum teilweise mit der Alphafunktion gleich. Diese macht, dass wir Stimuli von außen und innen in sinnvolle Zusammenhänge transformieren. Diese Stimuli sind Sinnesreize, die von emotionalen Erfahrungen kommen … Bion stellt – gerade während der Psychoanalyse-Sitzung – eine weitere Funktion des Traums fest: Das Träumen ist die kreative Aufdeckung oder das Scannen von klinischen und nicht-klinischen Phänomenen.“
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 25.11.2017
Aktualisiert am 28.12.2019
ibag meint
Danke! Jetzt komme ich den Tagträumen ein Stück näher.