
„Also Du hast den Patienten verstanden. Und dann? Was machst Du dann, damit Du ihm hilfst?“, fragen nicht-analytische Kollegen mich manchmal. „Da hat der Analytiker mich verstanden und ich habe mich allein dadurch um Längen besser gefühlt. Ich habe das Gefühl, es hat sich wirklich etwas verändert“, erzählt eine Patientin. „Und dann?“, fragt die Freundin. „Nichts ‚und dann‘ – das hat gereicht“, sagt die Patientin. Tatsächlich geraten Patienten und Analytiker manchmal in Erklärungsnot, wenn es an dieser Stelle um die Wirkung der Psychoanalyse geht. Es müsste doch etwas folgen, man müsste doch etwas machen, so der Gedanke. Doch man darf gelassen bleiben. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Verstehen ist heilsam
Die intersubjektive Psychoanalytikerin Donna Orange schreibt in ihrem Buch „The Suffering Stranger“ (Einleitung als PDF), dass „Verstehen“ eine Technik ist. Man brauche einen Sinn dafür, dass Verstehen eine Anwendung und dass es im weitesten Sinne heilsam ist („understanding is application [i.e. … understanding in the rich sense is curative]“ S. 26).
Verstehen ist oft mühsam
„Verstehen“ heißt manchmal einfach Da-sein, Zuhören, vielleicht sogar tief entspannt sein und dabei zu träumen. Vielleicht haben wir deshalb das Gefühl, dass das doch „nicht alles“ gewesen sein kann. Dass „Heilung durch Therapie“ doch anstrengend sein müsse, dass man da Verrenkungen machen müsse und es sich nicht bequem machen dürfe. Doch manchmal bedarf es keiner Mühe, keiner bewussten Anstrengung, sondern das Verstehen kommt im Analytiker wie im Traume. Dann wiederum ist Verstehen harte Arbeit („understanding requires hard effort“, schreibt Donna Orange). Und: „understanding is a difficult practice“, Verstehen ist eine schwierige Technik. All unser Verstehen kann immer nur bruchstückhaft und fehlerhaft sein („all our understanding is partial and fallible“).
Verstehen in der Philosophie
Donna Orange schreibt, wie die Philosophen Hans Georg Gadamer (1900-2002) und Friedrich Schleiermacher (1768-1834) das Verstehen verstanden.
Eine Schleiermachersche Sensibilität kann uns helfen, das psychoanalytische Projekt ‚Heilen durch Verstehen‘ zu kultivieren, wenn es das ist, wie wir unsere Arbeit verstehen, wie es viele von uns tun.“
Immer wieder sage Schleiermacher, dass Verstehen nichts Mechanisches sei, denn es könne dafür keine Regeln geben. Verstehen sei eher eine Kunst: „Again and again he said that understanding is not something mechanical, because no rules can be given for it, but more like an art.“ (S. 10)
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Beitrag als PDF: 78_PsychoanalytikerIn_werden_Heilen_durch_Verstehen
Buchtipp:

Donna M. Orange:
The suffering stranger –
Hermeneutics for everyday clinical practice
2011 Routledge, Taylor and Francis Group
https://www.taylorfrancis.com/books/e/9781135184124
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