
„Ich brauche mehr Einzelgespräche“ – einer der häufigsten Sätze von Patienten in psychiatrischen Kliniken. Der Hunger nach haltgebender Beziehung ist riesig und wir werden ihm in unserer Psychotherapielandschaft – trotz aller Anstrengungen und Möglichkeiten – bei Weitem noch nicht gerecht. Da gibt es die Tageskliniken und vollstationären Behandlungen in der Psychiatrie. Die Menschen können in dieser Zeit nicht arbeiten gehen. Dann gibt es die psychoanalytische Therapie, an die oft schwer heranzukommen ist, aber immerhin. Die Patienten werden dort 3- bis 4-mal pro Woche emotional gehalten, was bewirkt, dass sie in dieser Zeit arbeiten gehen können, denn die Therapie nimmt „nur“ etwa 2-3 Stunden pro Tag in Anspruch (je nach Wegestrecke). Viele Patienten gewinnen dadurch so viel Kraft, dass sie ihren Tag leichter bewältigen können. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Ganz oder fast gar nicht
Doch die meisten Patienten pendeln zwischen einer Psychotherapie einmal pro Woche und dem Klinikaufenthalt. Eine psychoanalytische Therapie ist auf 300 Stunden begrenzt und oft geben die Krankenkassen „nur“ ein Ok für eine Behandlung 3-mal pro Woche. Einerseits ist es schon eine Menge, was den Patienten hierzulande angeboten wird. Aber es mangelt häufig noch an dem Bewusstsein, dass schwer traumatsierte Patienten eine intensive Beziehung zu einem Therapeuten brauchen – optimal wäre es, wenn die Patienten vier Termine pro Woche über mehrere Jahre in Anspruch nehmen könnten. Schon allein dies zu schreiben, ist schwierig.
Wir können nicht alles aus uns selbst heraus – wir brauchen Beziehung
Womit vielen Patienten ursächlich geholfen wird, ist eine hochfrequente Einzeltherapie, in der der Patient die Chance hat, in der Beziehung tiefgreifend nachzureifen. Die Psychoanalyse ist hier aus meiner Sicht die wirksamste und nachhaltigste Möglichkeit, doch wenn es in diese „Ecke“ geht, denken viele gleich: „zu teuer“, „nicht machbar“, „zu langsam“. Doch ist es das? Wichtig wäre erst einmal, dass mehr öffentlich darüber diskutiert wird, was die Patienten brauchen: ein intensives ambulantes Therapieangebot.
Patienten in der Psychoanalyse fühlen sich oft so gut gehalten, dass sie wieder in die Arbeit zurückfinden.
Auch der Körper wird gesünder
Patienten in einer Psychoanalyse erleben häufig, dass sich ihr körperliches Befinden verbessert. Sie brauchen aufgrund der intensiven Begleitung oft keine Medikamente. Die Veränderungen sind tiefgreifend und nachhaltig – weniger Aufenthalte in psychiatrischen und internistisch-chirurgischen Kliniken sind die Folge. Bekommen diese Patienten Kinder, ist denen gleich mitgeholfen, denn die hochfrequente Psychotherapie ermöglicht der Mutter/dem Vater, besser als Mutter/Vater zu funktionieren.
Wir können nicht jeden retten, das ist klar und schwer auszuhalten. Doch viel wäre schon gewonnen, wenn der Gedanke „mehr Einzelgespräche pro Woche über längere Zeit“ nicht immer wieder verdrängt würde, denn im Bewusstsein der Patienten und Therapeuten ist er schon lange.
Dunja Voos meint
Liebe Melande,
Rückmeldung an die Therapeuten geben einerseits die Patienten, andererseits das eigene Gefühl des Therapeuten und auch die Kollegen, wenn der Therapeut in Supervisionen, Intervisionsgruppen, Balintgruppen etc. eingebunden ist. Ein Therapeut kann nach der Stunde oftmals genau wie der Patient sagen: „Das war eine ‚gute‘ oder eine ’schlechte‘ Stunde und das ‚Gut‘ oder ‚Schlecht‘ misst sich quasi an der Zufriedenheit mit der emotionalen Begegnung.
Ihr Gefühl, nämlich dass sich der Therapeut nicht gut einfühlen konnte, ist immer wieder auch Thema von Seminaren für Psychotherapeuten/Psychoanalytiker. Das Sich-nicht-Einfühlen-Können kann so stark sein, dass ein Patient eine Psychoanalyse auch abbrechen kann.
Auf der anderen Seite gibt es Patienten, die bei so uneinfühlsamen Eltern groß geworden sind, dass sie beim Analytiker „Uneinfühlsamkeit“ erleben, obwohl der Analytiker selbst viel Einfühlung verspürt. Hier kann dann auch die Übertragung stark am Werk sein.
Ein großes Problem ist, dass die meisten Psychotherapeuten zu wenig Selbsterfahrung in Anspruch nehmen. Psychoanalytiker sind aufgrund der Ausbildung dazu verpflichtet, relativ viele Stunden Lehranalyse zu machen (bei der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung z.B. 600 Stunden). Durch diese Selbsterfahrung wächst das Einfühlungsvermögen enorm. Fehlt es dem Psychotherapeuten an guter Selbsterfahrung, kann man manchmal eine regelrechte „Psychophobie“ feststellen: Er stoppt den Patienten, bevor dieser überhaupt zu seinen wichtigsten Verletzungen vordringen kann, weil er selbst Angst hat, vor dem, was da zum Vorschein kommen könnte.
Gute Therapeuten zu finden, bei denen es wirklich passt, ist oft eine schwierige Aufgabe und hat manchmal auch mit Glück zu tun.
Lesetipp: Jeffrey Moussaieff Masson: Final Analysis.
Viele Grüße, Dunja Voos
Melande meint
Liebe Frau Dr. Voos.
Das hört sich alles so schön an für mich. Ich hätte auch dringend eine psycholanalytische Therapie benötigt. In meiner (Groß-) Stadt habe ich eine solche aber nicht gefunden. Stattdessen einen 65-jährigen Arzt/Psychoanalytiker (von der Grundausbildung aus), bei dem ich schnell einen Platz für eine tiefenpsychologisch fundierte Pschotherapie bekommen habe, nun nach 50 Stdn. einml pro Woche diese Therapie beendet habe. Mit ganz viel Fragen/Irritationen, was ….das denn wohl für eine Therapie gewesen war. Er hat die ganzen 50 Min. die ruhige gleichschwebende Aufmerksamkeit perfekt aufrechterhalten; an seinen Antworten zu meinen oft verzweifelten Berichten und Gefühlszuständen habe ich aber erkannt, dass er sich NICHT in mich einfühlen konnte.
Frage: Wer gibt einem langjährig tätigem Psychotherapeuten Rückmeldungen/Kritik/Anregungen/Zusicherung u.s.w., dass er (noch) „ein guter Therapeut ist“, der den Bedürfnissen und Erfordernissen seiner Klienten/Patienten gerecht wird?
Es fehlt in unserer Gesellschaft SEHR an solchen Terapien/Therapeuten, von denen man nach Lesen Ihrer fabelhaften Beiträge eine Vorstellung bekommt.
Liebe Grüße
Melande