Wir wollen die bösen Eltern ganz aus uns raus haben

Wir alle tragen Mutter und Vater (so wir sie denn hatten) in unserer Seele mit herum – der eine mehr, der andere weniger. Mutter und Vater sind als „Primärobjekte“ (primäre Objekte) in unsere Seele sozusagen eingebaut. Sie lieferten uns den Prototyp der Kommunikation. Wie wir uns bei Vater und Mutter fühlten, so fühlen wir uns später im Leben immer wieder mal. Diejenigen, dieüberwiegend eine liebevolle Beziehung zu Mutter und Vater hatten, genießen das und zehren ihr ganzes Leben davon. Doch die schwer traumatisierten Kinder haben später oft nur Eines im Sinn: Mutter und Vater aus der Seele heraus zu befördern.

Wenn wir eine – vereinfacht gesagt – böse Mutter/einen bösen Vater hatten, möchten wir anders sein, als sie einst waren. Wir möchten uns nicht von der Vergangenheit bestimmen lassen.

Die Psyche strengt sich an, den ungeliebten Vater/die ungeliebte Mutter zu eliminieren, auszukotzen, herauszuspucken, nach außen zu befördern. Wenn sich in unseren Erzählungen eine gute Ecke an Vater oder Mutter zeigt, dann wehren wir es vielleicht vehement ab. Es ist, also bestünde die Gefahr, „der ganze Vater/die ganze Mutter“ käme wieder in die Seele hinein, wenn eine gute Eigenschaft bei Vater oder Mutter erkannt wird. Umso mehr kommt dann die Bemühung, den Vater/die Mutter wieder auszustoßen.

Integration?

Doch wie kann es gelingen, die Anteile von Vater und Mutter zu erkennen, ohne sich zu ekeln, ohne überschwemmt zu werden, ohne es wie einen unguten Sog zu erleben? Es ist ein sehr langer Weg – Mutter und Vater können z.B. in einer Psychoanalyse stückchenweise neu analysiert und erlebt werden. Manchmal entsteht dann eine Art Akzeptanz, sodass nicht immer das Bedürfnis besteht, sie psychisch „auszuspucken“. Irgendwann sieht und fühlt man auch die ein oder andere weiche, gute Seite. Das weckt oft eine Art Zweifel oder Abneigung, aber auch eine ungeheure Sehnsucht nach dem Guten. Und es erweckt vielleicht eine unglaubliche Trauer. Aber man kann beginnen, so manches zu verdauen.

„Will ich verdorbenes Essen verdauen?“, fragt man sich. Doch wenn wir nach und nach emotional die Gründe verstehen, warum die Eltern so waren, wie sie waren, erscheinen sie uns manchmal zunehmend weniger als „verdorben“ oder als Gefahr.

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 6.3.2018
Aktualisiert am 17.7.2024

One thought on “Wir wollen die bösen Eltern ganz aus uns raus haben

  1. DKJ sagt:

    Vielen Dank für den Artikel.
    Er hat mich stark zum Nachdenken angeregt.

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