Die Vorteile der Psychoanalyse außerhalb des Kassensystems: hier ein Idealbild, das der Realität jedoch oft nahe kommt: Die klassische Psychoanalyse im Liegen auf der Couch, 4- bis 5-mal pro Woche ist etwas sehr Intimes. Etwas Schützenswertes. Gemütlich ist es. Leid-, aber auch lustvoll. Psychoanalyse beginnt mit dem ersten Anruf des Patienten. Der erste Termin wird frei gestaltet: Die Szene zwischen Analytiker und Patient braucht Geborgenheit und Ruhe, um genau erfasst zu werden. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Was man alles in den ersten Minuten der Begegnung schon erlebt!
Die erste Begegnung zwischen Patient und Analytiker ist ein bisschen wie das Kennenlernen des eigenen neugeborenen Kindes. Wie der Patient wohl aussieht? Welchen Charakter es wohl hat? Wie es sich wohl anfühlt, mit ihm in einem Raum zu sein? Frei vom Druck, Fragen für irgendwelche Fragebögen herauskitzeln zu müssen, können Patient und Analytiker einfach die Atmosphäre auf sich wirken lassen. Schon hier kann sich vieles von dem andeuten, was den Patienten beschäftigt und was sein Leid verursacht.
Freie Wahl
In aller Ruhe stellt der Analytiker fest, dass eine Analyse bei diesem Patienten sinnvoll ist und dass er sich eine gemeinsame Arbeit mit ihm vorstellen kann. Der Patient, der mit dem Wunsch nach einer Psychoanalyse gekommen ist und dem es genau so geht, ist erleichtert. Als Selbstzahler muss er keine Formulare ausfüllen und keinem Gutachter „beweisen“, dass er die Analyse „nötig“ hat. Der Patient ist höchst schmerzempfindlich und alles, was er sagt, ist schützenswert. Der Analytiker ermöglicht die Analyse – er bereitet den Raum vor, sorgt für eine gute Umgebung, ist pünktlich, zuverlässig und zuversichtlich. Der Platz zu ganz bestimmten Uhrzeiten ist von nun an nur für diesen Patienten reserviert.
Auf die Entwicklung kommt es an
Bei Selbstzahlern gibt es keine Grenze von 300 Stunden, so wie dies bei Kassenpatienten der Fall ist. Der Patient beendet die Analyse dann, wenn er selbst sie für beendet hält. (Natürlich steht es auch dem Analytiker frei, die Analyse verantwortungsvoll – aus welchen Gründen auch immer – zu beenden.) Der Patient sucht nach Heilung und der Analytiker arbeitet sorgfältig, um ihm die gewünschte Entwicklung zu ermöglichen.
Der Analytiker findet Halt in Supervision und Intervisionsgruppen. Er arbeitet nicht alleine. Viele Kollegen überlegen mit, wie dem Patienten geholfen werden könnte. Niemand kommt an mit Vorher-Nachher-Fragebögen – die Analyse entwickelt sich eben so, wie sie sich entwickelt und der Patient kann in seinem Tempo wachsen. Der Analytiker fühlt sich frei und wohl. Er selbst hat die Analyse in einer jahrelangen Lehranalyse erlernt –
die Methode wurde traditionell weitergegeben.
Bürokratie: nur das Nötigste
Für Selbstzahler muss der Analytiker keine aufwendigen Berichte schreiben, nicht zusammen mit dem Patienten auf eine Kostenzusage warten, er muss sich nicht in irgendwelche „Psychotherapierichtlinien“ zwängen lassen. Nichts wird „randomisiert-kontrolliert“ – die „Erforschung“ des Patienten liegt allein bei Patient und Analytiker. Der Analytiker dokumentiert die Behandlung genau und lernt mit jedem Patienten mehr. Wegweiser sind die Intuition, das Gefühl und der Verstand von Analysand und Analytiker sowie die Eindrücke der Kollegen.
Der Analytiker sorgt für sich selbst
In gemütlicher Runde liest der Analytiker mit anderen Freud, Bion, Lacan oder was auch immer ansteht. Er geht regelmäßig wandern, um gesund zu bleiben. Die Psychoanalyse ist eine Erholungsinsel inmitten einer hektischen Welt. Sie eröffnet neue Räume und innere Freiheit. Wer eine gute Analyse erlebt hat, ist ihr oft unglaublich dankbar. Die Veränderungen sind sehr tiefgreifend – viele Patienten fühlen erstmals Halt in ihrem Leben, kommen endlich vorwärts und können sich lang gehegte Wünsche erfüllen. Quälende Gedanken lassen nach, Schmerz und Frust können besser ertragen werden.
Freiheit und Verantwortung
Wenn die Patienten die Analyse selbst bezahlen, ist für beide häufig ein freieres und verantwortungsvolleres Gefühl möglich, als wenn die Krankenkasse die Therapie bezahlt. Ich selbst biete die Psychoanalyse bevorzugt für Selbstzahler an (www.praxis-voos.de) – eben weil es mir unter anderem wichtig ist, dass die Behandlung so lange fortgeführt werden kann, wie der Patient es braucht. Ich wünsche mir, dass so eine „freie“ Analyse auch für Menschen möglich wird, die kein Geld haben. Dasselbe gilt für die teure Ausbildung – auch hier trauen sich viele nicht heran, weil sie sich nicht vorstellen können, das Geld dafür aufzubringen. Ich träume von neuen Systemen, von Stiftungen oder Patenschaftssystemen außerhalb des Kassensystems. Ihre Ideen sind willkommen!
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Wird Psychoanalyse von der Kasse gezahlt?
hubi meint
liebe frau voos,
vielen dank für ihre antwort!
dass die krankenkasse mehr als 300 std genehmigt, wird vermutlich ein sonderfall sein und ganz individuell entschieden… da müsste ich mal bei meiner krankenkasse nachfragen und nicht zuletzt bei meiner therapeutin. sie meinte mal, sie ist kein fan von „ewiger“ analyse.
liebe grüße
hubi
Dunja Voos meint
… ansonsten kenne ich so, dass man nach zwei Jahre Wartezeit eine erneute analytische Psychotherapie beantragen kann. Manche Menschen greifen auch auf Gespartes zurück oder nehmen einen Kredit auf, was natürlich für viele sehr schwierig ist.
Herzliche Grüße,
Dunja Voos
Dunja Voos meint
Liebe Hubi,
ja, manchmal genehmigt die Krankenkasse auch mehr als 300 Stunden.
Viele Grüße,
Dunja Voos
hubi meint
ist es theoretisch möglich, bei der krankenkasse eine zweite analyse zu beantragen?
meine 300 stunden neigen sich dem ende und ich merke, dass ich noch überhaupt nicht so weit bin. es ist wie ein schlag ins gesicht.
ich sehe, wie gut mir die analyse tut und ich habe große hoffnung, dass es endlich einen nachhaltigen ausweg aus meinem leiden gibt, nach klinikaufenthalten und sinnlosen verhaltenstherapien (durch die habe ich noch mehr über mich gezweifelt, meine persönliche erfahrung).
Kati meint
Liebe Frau Voos,
lieben Dank für Ihre Worte!!!
Liebe Grüße
Kati
Dunja Voos meint
Liebe Kati,
ich kann mir so gut vorstellen, wie es Ihnen geht! Deswegen habe ich immer die Idee im Hinterkopf, später mal einen Verein/eine Stiftung/ein Patenschaftssystem zu gründen: Psychoanalyse-Pate werden.
Ihnen gute Wege!
Herzliche Grüße, Dunja Voos
Kati meint
Liebe Frau Voos,
das, was Sie hier schreiben stimmt! Ich finde manchmal reichen 300 Stunden einfach nicht aus.Meine kassenfinanzierte Analyse geht dem Ende zu, aber ich fühle mich noch nicht soweit, zumal ich nochmal in eine heftige Krise gestürzt bin. Leider kann ich es auch nicht selbst finanzieren. Aber es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als so zu gehen.
Liebe Grüße
Kati