„Woran erkennst du eigentlich, ob jemand eine Kurzzeittherapie oder eine hochfrequente Psychoanalyse braucht?“, fragt eine Freundin aus einer psychisch weitgehend gesunden Familie. „Wenn Dein Sohn, der bisher nie besonders ‚auffällig‘ war, durch eine Prüfung fällt und dann Prüfungsangst bekommt, ist das wahrscheinlich ein begrenztes Problem. Während ich mit ihm spreche, merke ich, dass er ansonsten stabil und glücklich ist. Hier wird eine begrenzte Therapie helfen. Wenn aber die Tochter deiner Nachbarin, bei der schon immer Probleme zu sehen waren, mit undefinierbaren Ängsten und immer wiederkehrenden Wutattacken zu mir kommt, kann ich davon ausgehen, dass die Probleme tiefer liegen.“(Text & Bild: © Dunja Voos)
Hohe Dichte entscheidend
Eine hochfrequente Analytische Psychotherapie (AP) findet (im Krankenkassensystem leider nur phasenweise) 4-mal pro Woche im Liegen auf der Couch statt. Der schöne Begriff „Psychoanalyse“ wurde aus dem Wortschatz der Krankenkassen verbannt. Die hochfrequente Psychoanalyse ist dann sinnvoll, wenn schwere Störungen („Frühe Störungen“, „Charakterstörungen“) vorliegen und der Patient viel Halt braucht.
Sobald festgefahrene innere Strukturen verändert werden sollen, ist die hochfrequente Psychoanalyse sinnvoll. Weil der Patient den Analytiker so oft erlebt, kann er ihn sozusagen als neues Objekt in seine Psyche einbauen. An ihm kann er neue, bessere, Erfahrungen machen. Ihn kann er nutzen, um zu erfahren, wie er Beziehungen erlebt und wie er sich selbst in Beziehungen verhält. So können hochkomplexe Veränderungen zustande kommen.
1. „die Symptomatik einer neurotischen Erkrankung durch besondere Störungen in der narzisstischen Selbstwertregulation akzentuiert wird.“ (Anmerkung: Z.B. „Ich fühle mich so minderwertig! Also gebe mich besonders groß, damit andere nicht merken, wie klein ich bin.“)
2. „pathogene Phantasien (das heißt unbewusste Konflikte) sich charakterlich fixiert haben und in – oft relativ symptomarmen – Charakterneurosen gebunden sind.“ (Anmerkung: z.B. kann die unbewusste Phantasie, dass etwas Schlimmes passiert, wenn man nicht sofort reagiert, dazu führen, dass man sich und andere durch überschnelle Reaktionen in Bedrängnis bringt. Da steht dann kein „Symptom“ wie Angst oder Depression im Vordergrund, sondern es zeigt sich der vordergründig „hektische Charakter“, der Probleme für den Betroffenen und alle anderen mit sich bringt.)
3. „die Art der Störungen der seelischen Grundlagen das Angebot einer Sicherheit und Halt währenden Funktion des Analytikers in besonderer Weise erforderlich macht.“ (Anmerkung: Wenn z.B. die grundlegenden Gefühle von Sicherheit, Geborgenheit, Freiheit, Beziehungsfähigkeit so erschüttert sind, dass der Patient es nicht alleine aushält, braucht er die körperliche Anwesenheit des Therapeuten, um Probleme zu bearbeiten.)
4. „in der Abwehrstruktur Spaltung und projektive Mechanismen überwiegen.“
Verwandte Artikel in diesem Blog:
Hochfrequente Psychoanalyse: „Vier Stunden pro Woche sind aber viel!“
Psychotherapie-Antrag an den Gutachter: wie stellt man ihn?
Antragsschritte zur Analytischen Psychotherapie ab April 2017
Link:
Joachim F. Danckwardt und Ekkehard Gattig (1996):
Die Indikation zur hochfrequenten analytischen Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung.
Ein Manual
www.frommann-holzboog.de/einzelausgaben/410002112
Dieser Beitrag wurde erstmals verfasst am 25.3.2017
Schreibe einen Kommentar