Mit dem Adult Attachment Interview (AAI) soll der Psychotherapeut erfassen können, welchen Bindungsstil der Erwachsene möglicherweise vorrangig zeigt. Das Adult Attachment Interview (AAI, adult = Erwachsener, attachment = Bindung) besteht aus 20 Fragen, die sich hauptsächlich auf die Bindung zu Mutter und Vater in der Kindheit beziehen. Außerdem fragt der Interviewer den Patienten nach anderen wichtigen Bezugspersonen in der Kindheit, nach Trennungserfahrungen und möglichen Misshandlungen in der Kindheit. Auf der Website der Stony Brook University, New York, sind die Fragen des AAI mit Kommentaren in englischer Sprache aufgeführt (PDF).
Wie das Hänschen so der Hans
Wie beim Kind sind auch beim Erwachsenen verschiedene Bindungstypen möglich.
Beim Kind werden diese Bezeichnungen bei Bindungsstilen verwendet:
- sicherer Bindungsstil (Typ B)
- unsicher-vermeidend (insecure-avoidant, Typ A)
- unsicher-ambivalent (insecure-ambivalent, Typ C)
- desorganisiert (desorganized, Typ D)
Beim Erwachsenen, also im AAI, werden diese Einteilungen verwendet:
- Autonome Bindung (Typ F: free-autonomous): Der Befragte hat eine sichere Vorstellung von Beziehungen und kann sich gut an Begebenheiten aus der Kindheit erinnern.
- Unsicher-vermeidende Bindung (Typ D: dismissing = ablehnend): Die Befragten erinnern sich eher bruchstückhaft an ihre Kindheit. Die Eltern werden oft idealisiert.
- Unsicher-ambivalent und verstrickt (Typ E: entangled = verwickelt, enmeshed = verstrickt, preoccupied = voreingenommen): Hilflosigkeit, Wut und Widersprüchlichkeit machen sich während des Interviews bemerkbar.
- Unsicher organisiert nach ungelöstem Trauma oder Verlust (Unresolved): Die Betroffenen können sich nur schwer auf das Interview einlassen und ihre Antworten sind häufig irrational.
- Nicht klassifizierter Bindungstyp (CC)
Das AAI wurde von den Psychologen Mary Main und Erik Hesse (beide: Berkeley University, Kalifornien) entwickelt.
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Die Bindungstheorie
Desorganisierter Bindungsstil
Literatur:
Markus Hatschenberger:
Hilfe- und Betreuungsplanung: Grundlagen der ressourcenorientierten Hilfe
Verlag Rossoll, S. 144/145
Blair Paley et al.:
Attachment and Marital Functioning: Comparison of Spouses With Continuous-Secure, Earned-Secure, Dismissing, and Preoccupied Attachment Stances
Journal of Family Psychology 1999, Vol. 13, No. 4, 580-597
http://www.unc.edu/courses/2006spring/spcl/091p/016/AttachmentMartha.pdf
Roswitha Schäfer-Neubauer meint
Sehr interessant. Im Grunde sind das die Fragen aller Fragen – warum reagieren wir – wie wir reagieren? Und ich stellte auch bei mir eine Blitzreaktion fest. Im Jetstream zurück in die Kindheit. mal sehen, ob man den Test abrufen kann, um ihn zu wagen, als Selbsttest. Da ich nun schon „etwas älter“ bin – kann ich dann zurückblickend feststellen vielleicht, was war die stärkste „Vermeidung“ und warum. Bzw. positiv – was hat mich am meisten angezogen, und fasziniert mich noch immer…(Talente, Beziehungen, Freundschaften, Kontakte usw. )