Das Baby neben mir schreit. Es ist schon lange dunkel, doch die Fahrt wird noch Stunden dauern. Ich weine. Leise in mich hinein. Wie soll ich das schaffen? Jetzt muss ich auch noch tanken. Trunken vor Müdigkeit stolpere ich zur Zapfsäule. Die frische Luft schmerzt in den Lungen. Ich gehe in die Tankstelle, um zu zahlen. Neben mir eine Frau. Mit haltgebenden Augen. Mit langen Locken. Sie lächelt mich an. Zuversicht kommt wie ein Hauch. Ich atme auf, es geht mir besser. Viel besser. Aufgetankt. Die Kraft, die sie mir gibt, reicht aus. Wir kommen sicher zu Hause an. (Text & Bild: © Dunja Voos)
„Auch sie liebt ihn. Er ist die Quelle der Eifersucht. Also bringe ich nicht sie um, sondern ihn. Dann habe ich immer noch sie, mit der ich mein Leid teilen kann“, denkt die Träumerin.
Dieser Beitrag erschien erstmals am 12.6.2015
Aktualisiert am 12.8.2016
Es standen immer frische Blumen auf ihrem Tisch. Doch in ihrem Büro roch es nach altem Teppich. Die Fenster standen auf und Licht fiel hinein. Sie kam des Öfteren frisch vom Friseur und erzählte von ihren gelungenen Wellness-Wochenenden. „Man muss sich Gutes tun“, sagte sie immer. Doch fühlte ich mich bei ihr seltsam unbehaglich. Je schöner sie sich selbst und ihr Zimmer machte, desto banger wurde mir ums Herz. Sie war eine Depressive. Ihre Bemühungen, alles schön und gut zu machen, waren nichts als ein großer Kraftakt, um die schwere Depression davon abzuhalten, sich wie ein dunkler Schleier über sie zu legen.Weiterlesen
Das Kind, es fordert die Mama auf. Es interessiert sich fürs Smartphone. Es zieht am Telefonkabel. Es unterbricht die Lehrerin. Wir unterstellen ihm etwas Böses: Es stört. Es muss lernen, dass es nicht alles haben kann. Es muss verstehen, dass das Leben kein Wunschkonzert ist. Es muss einsehen, dass sinnlose Hausaufgaben gemacht werden müssen. Komisch: Bei Hunden ist es allgemein bekannt. Bei Kindern nicht: Sie wollen doch nur spielen.
Das Ei wird angepiekst. Es läuft aus. Es schrumpft, verschwindet. Neuer Versuch. Das Ei wird angepiekst, die Samenzelle findet hinein. Beide bekommen einen Schrecken. Es findet eine Befruchtung statt. Und eine Zerstörung. Die Samenzelle ist weg. Das Ei in seiner Ur-Form ist weg. Die Samenzelle sieht die Eizelle nicht, die Eizelle sieht die Samenzelle nicht. Beide haben ihre Identität verloren. Es ist etwas Neues entstanden: Ein Ungeheuer?
Das Kind, es himmelt den Vater an. Es ist verzückt, es ist verliebt. Der Vater, er streckt den Zeigefinger aus und sagt: „Haha, Du hässliches Entlein, was willst Du?“ Wie dumm von dem Kind, wie konnte es das vergessen? Das Kind, es schämt sich so. Es schämt sich so, dass es etwas Wichtiges vergessen hat. Es schämt sich, dass es dachte, der Vater hätte im Auge denselben Glanz wie es selbst, wenn es den Vater anschaut. Ihm fehlt ihm auch der Glanz im Auge der Mutter. Das Kind wird groß. Als es eine Frau ist, passiert ihm immer dasselbe: Wenn es sich nur ein wenig verliebt, kommt innerlich ein Schlaganfall mit den Worten: „In Dich kann man sich nicht verlieben.“