Das Kind, es steht im Mittelpunkt. Ob gut oder schlecht: Die Eltern starren, beobachten, zupfen, küssen, streicheln, beschämen, lauschen, verfolgen, quälen, verlassen. Sie loben und schimpfen. Das Kind, es hat keinen eigenen Raum. Nur manchmal ganz oft, wenn die Eltern sich streiten, dann sind sie beschäftigt. Es ist ihr Streit. Das Kind, es mag ihn nicht hören. Es macht ihm Angst. Es hält sich die Ohren zu und läuft im Flur auf und ab. Ganz allein. Weiterlesen

„Kinder entstehen durch Essen“, phantasieren manche kleinen Kinder. Diese Phantasie entsteht schon, bevor die Kinder sie in Worte fassen können. Frühkindliche und unbewusste Phantasien sind unser Leben lang vorhanden. Kleine Babys spüren, was in ihrem Körper passiert und entwickeln darauf hin wahrscheinlich Phantasien. Diese Phantasien entstehen aus der Wahrnehmung, aus dem Fühlen (englisch: Sensation) heraus. Unbewusste Phantasien werden auch in unseren Fehlern deutlich. In einer Quizshow (Gefragt, Gejagt, 26.9.2023) wurde eine Kandidatin gefragt, wo im Körper sich „Otolithen“ befinden. Sie kannte den Begriff (Steinchen im Ohr) nicht und musste raten: „In der Lunge?“ Der „Fehler“ war nicht sinnlos: Möglicherweise hatte die Kandidatin an das „O2“ des Sauerstoffs gedacht.Weiterlesen

„Wer hat die Krone auf?“ „Aus welchem Material besteht der Tisch?“ „Male ein Männchen.“ Typische Sätze aus Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt (allerdings: Stand 2010). „Niemand hat hier die Krone auf“, antwortet das schlaue Kind. „Aus Holz“, sagt die Kleine – puh, zum Glück kennt sie das Wort „Material“. „Ihr Kind malt das Männchen noch mit acht Fingern an einer Hand“, sagt der Kinderarzt. Die Mutter lässt den Kopf hängen. „Wie wird hier eigentlich mein Kind vermessen?“, denkt sie. Normtabellen überall. Doch werden sie dem Kind gerecht? Der Kinderarzt kennt es doch fast gar nicht. Nur Mutter und Vater wissen, wieviel es spricht, wie schnell es laufen kann, wie gut es sich zu helfen weiß. Doch die Fragen und Vermessungen beim Kinderarzt erscheinen manchmal wie eine Farce. Weiterlesen

Sobald ein Ungeborenes das Licht der Welt erblickt, nimmt es Kontakt zur Mutter auf. Seine Stimme und Blicke erreichen sie und die Mutter weiß intuitiv, was zu tun ist. Dieses angeborene Bindungsverhalten sichert uns seit jeher das Überleben. Der britische Psychoanalytiker John C. Bowlby (1907-1990) und die amerikanische Entwicklungspsychologin Mary S. Ainsworth (1913-1999) entwickelten die Bindungstheorie. Bowlby hatte im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Ende des zweiten Weltkrieges erforscht, was mit den Kindern passierte, die ihre Eltern verloren hatten. Er kam zu dem Ergebnis, dass traumatische Trennungserfahrungen in der Kindheit zu psychischen Störungen führen können, die sich bis ins Erwachsenenalter hinein zeigen. Weiterlesen

Aus verhaltenstherapeutischer und psychiatrischer Sicht gibt es für die Diagnose „ADHS“ (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung) eindeutige Kriterien. Hierzu gehören die Diagnosekriterien nach dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Diseases (DSM IV und DSM V) und der International Classification of Diseases (ICD-10: F90.0 und ICD-11: 6A05.2). Kinderärzte und Psychologen, die sich darauf spezialisiert haben, können anhand von Anamnese und Tests nach diesen Kriterien recht genau sagen, welches Kind ADHS hat. Sie behandeln dann meistens nach den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, AWMF (Leitlinie ADHS, 2017). Weiterlesen

Bindungsstörungen, die innerhalb der ersten fünf Lebensjahre auftreten und mit einem häufigen Wechsel von Bezugspersonen und Vernachlässigung zusammenhängen, heißen „reaktive Bindungsstörungen“. Sie kommen dann vor, wenn Kinder früh misshandelt, vernachlässigt oder abgegeben werden, wenn sie die Familien wechseln müssen oder in einem Heim leben. in dem sie sich nicht wohlfühlen. Die Bindungsstörung zeichnet sich dadurch aus, dass die Kinder emotional instabil und ohne festen Bezug zu einer anderen Person sind. Es fällt ihnen schwer, mit anderen Kindern zu spielen. Sie sind entweder gehemmt, furchtsam und zurückgezogen oder sie verhalten sich „draufgängerisch“, aggressiv, wahllos freundlich oder distanzlos. Weiterlesen

„Soll ich den anderen jetzt anlächeln, oder nicht? Soll ich nun auf die Wippe gehen, oder nicht?“ Wenn ein Kind überlegt, ob es auf etwas Neues, Abenteuerliches zusteuern soll oder nicht, dann schaut es nach der Mutter. Es sucht nach ihrer Rückversicherung (Soziale Referenzierung, englisch: Social Referencing). Mit etwa acht bis neun Monaten beginnt das Kind, sich an den Gefühlen und Gesichtsausdrücken der anderen zu orientieren. Schaut die Mutter ängstlich, wird sich auch das Kind zurückhalten. Nickt sie dem Kind zu und schenkt ihm aufmunternde Blicke, so wird seine Abenteuerlust gestärkt. Weiterlesen
„Ich nehm‘ Dir das Handy weg – und das iPad gleich mit. Bis Montag.“, sagt die Mutter. Kraftlos schaut sie ihr Kind an. Sie ist wütend und verzweifelt, weiß keine andere Lösung. Sie sorgt sich, dass ihr Kind abhängig werden könnte von diesem ganzen Zeug. Doch die Angst führt dazu, dass sie ihr Kind behandelt, wie sie einst selbst behandelt wurde: bei genauerem Hinsehen respektlos. Gleichzeitig erwartet sie, dass ihr Kind Respekt vor ihr hat. Und sieht in diesem Moment nicht, dass es keinen Respekt haben kann, weil es selbst nicht mit Respekt behandelt wird. Weiterlesen