Meditation im Hamsterrad, Meditation beim Putzen
Gerade in der „Rush-Hour des Lebens“, zwischen 30 und 50 Jahren wird man auf vielen Ebenen gleichzeitig beansprucht. Manchmal sieht man kein Ende im Tunnel der Anstrengungen. Manchmal aber hilft es, ganz langsam zu werden. Meditierend die Spüle zum Glänzen zu bringen oder im Stau die einzelnen Nackenmuskeln zu aktivieren, kann sich sinnvoll anfühlen. Wir machen vielleicht nach einer Weile die Erfahrung, dass es wirklich nützt, was wir tun. Es gibt viele kleine Momente, in denen wir ganz langsam werden können – und sei es, um unseren Schmerz ganz genau zu spüren. Mitten im Hamsterrad.
Wie oft treiben uns die unzähligen, langweiligen Handgriffe im Haushalt fast in den „Bore-Out“? Diese monotone Arbeit, die immer und immer wieder gemacht werden will, ist für die meisten keine Freude. Wer das Gefühl hat, in einer ewigen Mühle zu stecken, dem sei das Buch „Putzen lieben?!“ von Linda Thomas ans Herz gelegt. Schmutz wegmachen bedeutet, Platz für Neues zu schaffen, schreibt Linda Thomas. Linda Thomas zeigt, wie aus der Pflicht eine Meditation werden kann. Das 400 Seiten starke Buch ist voller bewegender Geschichten und erweitert den Horizont. Linda Thomas führt uns in die Welt der Anthroposophie ein und erklärt, was es mit den „Elementarwesen“ auf sich hat. Wie sehr wünschen wir uns oft, dass Heinzelmännchen unsere Arbeit erledigen könnten.
Aus Sicht der Anthroposophen sind geistige Elementarwesen um uns herum, die uns helfen oder behindern können. Da gibt es zum Beispiel die Undinen (Wassergeister), die Gnome, die Sylphen (Geister der Liebe) und die Salamander. Das kann anfangs sehr verwirrend sein und einfach als „Spinnerei“ abgetan werden. Doch wer sich ein bisschen auf das Märchenhafte und Verträumte dieser Sicht einlassen kann, wird von diesem Buch fasziniert sein und Zusammenhänge zwischen Märchen, Mythen und unserem Alltagsdenken sehen, die uns vorher vielleicht gar nicht so klar waren. Dieses Buch weckt die Putz- und Leselust gleichermaßen.
Linda Thomas beschreibt den Unterschied zwischen Putzen und Pflegen und zeigt an vielen Beispielen auf, dass man beim Putzen durchaus selbstwirksam sein kann. Sie gründete 1988 eine ökologische Putzfirma, um ihre Kinder auf die Waldorfschule schicken zu können. Sie beschreibt, wie sie beim Putzen andächtig vor den Toiletten kniete und sich danach bewusst erhob, wenn sie damit fertig war. Sie zeigt auf, wie sie durch ihr Putzen atmosphärisch einen Unterschied machen konnte und wie die Menschen spürten, mit welchem Geist sie putzte.
Linda Thomas beschreibt, wie sich penibel und steril anmutende Wohnräume von jenen unterscheiden, die mit Liebe und Großmut gepflegt wurden. Sie erinnert an Pflanzen in Klassenräumen, die über die Ferientage entweder nur pflichtbewusst gegossen oder liebevoll umsorgt wurden. Kurzum: Sie zeigt, wie das Putzen zu einer liebevollen und andächtigen Tätigkeit werden kann, in der man sich selbst vergessen und sogar erholen kann, in der man träumen, meditieren, planen und etwas bewirken kann. Sie bezeichnet das Putzen als „eine Liebeserlärung an die Gegenwart“.
„Je mehr der Mensch etwas tun muss, was ihn nicht interessiert, desto mehr wird sein Lebensleib geschwächt“ (Linda Thomas, S. 132). „Wer den Sinn und die Würde des eigenen Tuns entdecken kann, arbeitet auch ökonomischer …“ (S. 134) … „Unser Haus ist unser erweiterter Körper.“ (S. 140) „Ich schaffe mir ein ganz neues Objekt, indem ich etwas liebevoll pflege. Unsere Seele begleitet diesen Vorgang, die Berührung schenkt Wärme. Etwas Menschliches geht auf den gepflegten Gegenstand über und in ihn hinein und wirkt von da positiv und heilsam auf die Menschen zurück.“ (S. 232). Vor dem Putzen kommt das Aufräumen. Auch das wird leichter, wenn du den Sinn darin erkennst und mit kleinen Schritten anfänsgt. Äußere Ordnung führt häufig auch zu innerer Ordnung, das wissen und spüren wohl die meisten Menschen.
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Putzen lieben
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Dieser Beitrag erschien erstmals am 5. August 2024
Aktualisisert am 3.10.2024
Dieser Beitrag erschien erstmals am 13.11.2014
Aktualisiert am 22.5.2023