Tiefe Hocke (Deep Squat, Malasana) nicht für jeden möglich, aber mit Handtuch unter den Fersen wohltuend

Die tiefe Hocke (Saigonhocke, Entspannungshocke), bei der die Füße ganz auf dem Boden aufgesetzt sind, kann sehr wohltuend sein. Viele Youtube-Videos erklären, wie sie sich erlernen lässt. Doch es wird vergessen, dass die anatomischen Proportionen die tiefe Hocke unmöglich machen können. Schon bei Kindern sieht man, wie manche gerne und natürlichweise in der tiefen Hocke sitzen und andere schon recht früh die Fersen anheben. Während man in Asien sehr viele Menschen in der tiefen Hocke sitzen sieht, ist sie in anderen Teilen der Welt nicht so verbreitet (siehe Gemälde von Max Slevogt: Hockender Afrikaner, 1912, artmedia.de).

Die Fitnesstrainerin und Ernährungsberaterin Ulli hat in der Zeitschrift „FIT und gesund“ zwischen 2017 und 2020 einen Selbstversuch gemacht. Hier zeigt sie recht gut, wie langsam und minimal ihre Fortschritte sind und es kommt die Frage auf, ob die tiefe Hocke für sie überhaupt möglich ist: Die tiefe Hocke – ein Selbstversuch: FIT und glücklich, von Ulli, 2017, Die tiefe Hocke – Update nach 3 Jahren

Der Trainer Tom Purvis erklärt in seinem Youtube-Video „Fold Ability and Proportions“ sehr anschaulich, warum es für Menschen mit einem relativ kurzen Oberkörper und langen Oberschenkeln schon physikalisch nicht möglich ist, in die tiefe Hocke zu kommen, ohne nach hinten zu kippen. Auch der Beitrag „Squat depth: why your anatomy might be affecting you range of motion“ (September 5, 2018) beschreibt, warum die tiefe Hocke je nach Körperbau unmöglich wird: „Deeper hip sockets, often found in people of northern European ancestry, increase the stability of the hip but you’re not likely to see a Viking sitting comfortably in a deep squat. Those of eastern Asian descent often have a more shallow hip socket, allowing for a much deeper range of motion …“ (Übersetzt von Voos:) „Tiefere Hüftpfannen, wie sie oft bei Vorfahren der Nordeuropäer zu finden sind, erhöhen zwar die Stabilität der Hüfte – doch wirst Du wahrscheinlich kaum einen Wikinger sehen, der bequem in der tiefen Hocke sitzt. Nachfahren von Menschen aus Ostasien haben öfter eine eher flache Hüftpfanne, was ihnen eine größere Bewegungsfreiheit erlaubt …“

Dass wir eigentlich beweglich genug für die tiefe Hocke sind, zeigt sich, wenn wir an einer flachen Stelle im Schwimmbad einmal versuchen, diese Position einzunehmen: Dadurch, dass das Wasser uns hält, fallen wir nicht nach hinten. Die tiefe Hocke ist da für viele ganz mühelos einzunehmen.

Wenn Du gerne in die tiefe Hocke gehen möchtest, es Dir Deine Anatomie auf flachem Boden aber nicht erlaubt, dann kannst Du ein Handtuch unter die Fersen rollen oder im Garten oder auf Waldwegen auf kleinen Bodenhügeln Platz nehmen. Hier sind die Fersen natürlicherweise etwas angehoben, während der gesamte Fuß auf dem Boden ruht. Das tut gut und beendet den Stress, den man sich macht, weil man versucht, eine Position zu erreichen, die nicht erreicht werden kann.

Die tiefe Hocke lässt sich am besten einnehmen, indem man ein Handtuch unter die Fersen rollt, sich weit nach vorne beugt und dann in die Hocke geht. Wann immer es sich anbietet, kannst Du die tiefe Hocke einnehmen: zum Beispiel beim Haareföhnen, Telefonieren oder Fernsehen. Achte darauf, die Beine und Füße dabei nicht nach innen zu kippen. Die Knie sollten tendenziell nach außen gehen und die Füße sollten leicht nach außen zeigen. Es lohnt sich aus meiner Sicht, so oft wie möglich so zu sitzen. Die tiefe Hocke (auch mit Handtuch unter den Fersen) sorgt für Wohlbefinden und führt bei vielen zu einem angenehmen Körpergefühl.

Menschen mit kurzem Oberkörper und langen Oberschenkeln verlieren das Gleichgewicht, sobald sie die Füße ganz aufsetzen. In der Gallerie des Malers Hans Aichinger findet sich ein Gemälde namens „Die Hüterin“ (2019), auf der gut zu sehen ist, wie lang der Oberkörper von Menschen ist, die die Position der tiefen Hocke einnehmen. Will man es dennoch üben, muss man sich wahrscheinlich auf viele Jahre einstellen. Der Zen-Meister Muho Nölke sagt zum Beispiel, dass es Jahre dauert, bis man richtig sitzen kann – hier im „Schneidersitz“ mit den Oberschenkeln auf dem Boden: „Du sitzt so gerade wie eine Eins!“, Youtube.

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Links:

Gerd Schnack
Das Wunder der Entspannungshocke
Herder Verlag, 2016

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 10.3.2023
Aktualisiert am 11.7.2025

Schreibe einen Kommentar