Der Dämon in uns
Die Indie-Rock-Band „Imagine Dragons“ singt von den „Demons“, den „Dämonen“ in uns. Immer wieder spüren wir sie: Kräfte, die über unserer Willenskraft stehen. Manchmal streiten wir mit dem Partner, werden böse und schauen uns dabei zu. „Ich kenne mich selbst nicht mehr“, möchte man sagen, oder: „Das ist ja mein Vater, der da aus mir spricht, das bin nicht ich!“ Gerne tun wir oft so, als ob es diese Kräfte in uns nicht gäbe, als ob wir ständig die Kontrolle über uns hätten. Aber immer wieder spüren wir: Da sind „innere Objekte“, die manchmal tun und lassen, was sie wollen.
Manchmal spüren wir in uns vielleicht einen Elternteil als etwas „Böses“, als eine Kraft, die uns immer wieder dazu veranlasst, etwas zu sagen oder zu tun oder zu fühlen, wovon wir denken, dass das gar nicht wir selbst sind. Es ist, als hätten wir uns ganz der Mutter angepasst oder als lebte sie in uns weiter oder wir in ihr. Wir erleben das, was wir sagen, denken oder fühlen dann als „Ich-fremd“ („Ich-dyston“). Wir trauen uns selbst nicht und werden dann auch anderen gegenüber skeptisch.
Durch das, was wir als Kind erlebt haben, geben wir anderen immer wieder den Anstrich der „primären Bezugspersonen“, wenn wir in Situationen kommen, die uns bewusst oder unbewusst an die Geschehen aus Kindertagen erinnern.
„Wer hat Angst vor’m schwarzen Mann?“
Als Kind träumten wir dann vom „schwarzen Mann“, vom „bösen Wolf“, dem „weißen Hai“ oder vom Feuer. Wir haben den „bösen Anderen“ verkörpert, wir haben aus ihm eine Figur gemacht, in der vieles verdichtet ist. Häufig sind es auch „böse“ Anteile von uns selbst. Die „böse Figur“ erhält verschiedene Seiten, die uns selbst immer Angst machten: Böse Augen, große Zähne, ein hämisches Lachen. Wir alle haben als Kind Beängstigendes und Katastrophales erlebt. Doch wie konnten wir damit fertig werden? Manchmal konnten wir es gar nicht. Und diese Erlebnisse wirken in uns weiter.
An guten Tagen fühlen wir uns als Herr im eigenen Hause. Aber an schlechten Tagen oder in kritischen Phasen unserer Beziehungen haben wir das Gefühl, da läuft uns etwas aus dem Ruder. Es sind oft unbewusste Gefühle und Erinnerungen, die uns wieder heimsuchen, die wir von früher kennen, aber die wir nicht in Worte fassen können.
Und immer wieder sind es die „bösen Anteile in uns selbst“, die wir in eine Figur verpacken. Ähnlich, wie wir Unerwünschtes nach außen auf andere Personen projizieren können, so können wir ungewollte eigene Anteile auch auf „innere Objekte“ projizieren. Wir träumen vom „Schwarzen Mann“, aber eigentlich sind wir selbst diese Figur. Wir fühlen uns verfolgt, weil unsere eigenen Anteile nicht weggeschickt, sondern gehört werden wollen.
Chancen in der Psychoanalyse
In einer Psychoanalyse kann man diesen Kräften und Geschehnissen auf den Grund gehen. Manchmal spüren wir die „Dämonen in uns“ so stark, dass wir Angst haben, wir könnten die Kontrolle verlieren und sie könnten die Macht übernehmen. Wir haben Angst, verrückt zu werden. Doch weil wir einen gesunden Anteil in uns haben, können wir auch den „kranken“ Anteil in uns spüren und sehen. Meistens reagieren wir mit dem Verstand. Wir wollen das, was wir da fühlen, spüren, erahnen, gerne wegdrängen. Aber dadurch sperren wir das Ungewollte, den „Dämon“, wieder nur in einen Käfig.
Der Dämon kann vielleicht nicht mit uns sprechen, weil er aus vorsprachlicher Zeit stammt, aber wir können mit ihm sprechen. Wir können versuchen, diesen „Dämon“ zu fühlen, zu sehen, zu verstehen. Wichtig ist, dass wir diese Mächte und Kräfte in uns anerkennen und nicht so tun, als würde es sie nicht geben.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 23.10.2016
Aktualisiert am 17.10.2025