Tipps bei Einsamkeit

Gegen Einsamkeit Tipps geben zu wollen ist vielleicht so wie zu einem Wüstenwanderer zu sagen, er solle jetzt mal sofort zur Quelle zu gehen. Es war vielleicht oft ein langer Weg, der uns einsam gemacht hat. Chronisch einsame Menschen sind oft Menschen, die schon als Kinder misshandelt wurden (Sabaß L. et al., 2022) und unsicher gebunden waren. Und plötzlich finden wir uns als Erwachsene in einer Situation wieder, in der wir feststecken und uns fragen: Wie sind wir bloß dahingekommen? Einsamkeit durch Krankheit, Behinderung, Armut, Familienlosigkeit, Pflegetätigkeiten oder ähnliches bringen uns in eine Lage, die wir oft nicht so leicht verlassen können.

Bei der Einsamkeit können wir grob zwei Arten unterscheiden: Da ist die „existenzielle Einsamkeit“, also eine tiefe Einsamkeit, die vielleicht jeder Mensch dann und wann spüren kann. Diese Einsamkeit ist bedingt dadurch, dass wir eine Innenwelt haben, die nur wir selbst fühlen. Andererseits gibt es eine Art von „Alltagseinsamkeit“, die wir vielleicht spüren, wenn wir im Hochhaus wohnen, wenig Geld haben, krank sind, alleinerziehend sind, die soziale Schicht gewechselt haben und Ähnliches. Gegen diese Einsamkeit können wir etwas tun – aber Achtung: Es ist meistens sehr viel Arbeit.

Tipps gegen die Einsamkeit:

  • Setze Dir das Ziel, aus der Alltagseinsamkeit zu finden, ganz bewusst. Gehe dann in vielen kleinen Schritten vor.
  • Beschäftige Dich mit Herzensbildung – versuche, Texte zu finden, in denen Du Dich wiederfinden kannst. Schreibe Dir wohltuende Sätze aus einem Film, einer Serie oder einem Buch in ein Notizbüchlein.
  • Mache Dich vertraut – vertraut mit Deinem Körper, z.B. durch Yoga, TaiChi oder ähnliches. Mache Dich mit dem Ort vertraut, an dem Du wohnst, stelle Dich Deinen Nachbarn vor. Mache Dich vertraut mit Deiner eigenen Familiengeschichte, betreibe Ahnenforschung.
  • Setze Dich mit dem Thema „Berührung“ auseinander.

Nimm Dir vor, etwas zu lernen – ein Musikinstrument, Yoga, Schwimmen oder ähnliches. Suche Dir dafür gute Lehrer, Bücher und Youtube-Kurse. Insbesondere das „Auswenig-Lernen“ kann Dir viel bringen. Zunächst weißt Du vielleicht gar nicht, was es bringen soll. Doch später ergeben sich oft Anknüpfungspunkte. Versuche, dran zu bleiben – das gelingt am besten mit einem guten Lehrer. Bemerke die Unterschiede: Wenn Du Yoga in einer beheizten Wohnung machst oder bei geöffnetem Fenster, auf dem Balkon oder draußen, kann sich das vom Langeweile- und Einsamkeitsgrad her sehr unterschiedlich anfühlen. Wenn Du Yoga machst und im Nebenraum werkeln Menschen, die Du kennst, kann die Einsamkeit sich reduzieren. Du kannst auch z.B. das ZDF-Morgenmagazin auf dem Laptop in der Küche laufen lassen, während Du im Wohnzimmer Yoga übst. Auch dabei fühlst Du Dich dann möglicherweise weniger einsam, denn die Sendung ist live und verbindet Dich mit der Welt.

  • Suche gezielt nach Menschen, die ein ähnliches Problem haben könnten wir Du. Auf Twitter findest Du z.B. Menschen, die sich mit Depressionen auskennen, unter dem Hashtag #notjustsad (= „nicht nur traurig/nicht richtig traurig“).
  • Gehe jeden Morgen zum selben Bäcker oder setze Dich immer wieder ins selbe Café. Mache das sehr, sehr lange.
  • Lies die Bild-Zeitung oder ein ähnliches Blatt, das Dich über Royals, Fußballer und Stars informiert. Halte Dich bei aktuellen Dingen auf dem Laufenden, merke Dir Namen.
  • Gehe regelmäßig zur selben Zeit schwimmen – bis Du die Menschen kennst, die mit Dir schwimmen gehen. Das funktioniert auch mit anderen Aktivitäten, jedoch braucht es mehrere Monate, bis Du einen Effekt merkst.
  • Suche nach Menschen mit Deinem Bildungsgrad. Es nutzt nichts, in einen Verein zu gehen, in dem Du Dich einsam fühlst, weil Du geistig über- oder unterfordert bist.

Kirchen haben manches im Angebot, das bei Einsamkeit helfen kann, z.B. einen Chor. Die Musik von Bach und die dazugehörigen Texte können sehr berührend sein. Wenn Du so etwas noch nicht kennst und Dich vielleicht schämst, gib Dir eine Chance und versuche, dort heranzukommen. Es ist oft schwer zu wissen, wonach man sucht. Wichtig ist, dass Du suchst. Selbst wenn Du einige Jahre Klavier oder Judo lernst und dann merkst, dass Du lieber gesungen oder reiten gelernt hättest, ist das ein Gewinn. Du kannst zu Deinen wirklichen Talenten und Wünschen finden, indem Du eine Sache kennenlernst und sie dann bewusst annimmst oder ablehnst.

  • Achte auf Jahresrituale und versuche, ein wenig mitzugehen. Es gibt gute Jahreskalender, die Dir z.B. sagen, welche Art von Sonntag wir diese Woche haben oder wie der Mond gerade steht.
  • Wenn es geht, passe Deine Wohnsituation an. Suche vielleicht ein Mehrgenerationenhaus. Mache es Dir in Deiner Wohnung gemütlich. Ein Haustier kann Einsamkeit reduzieren, manchmal aber auch vergrößern.
  • Versuche immer wieder, Deine Erwartungen klein zu halten auf Deinem Weg – gerade dann, wenn Du ein großes Ziel hast (Buchtipp: Sriram: Wünsche Dir alles, erwarte nichts und werde reich beschenkt).
  • Beschäftige Dich mit psychoanalytischen Themen wie z.B. unsicherer/sicherer Bindung, mit unbewussten Aggressionen, mit Scham und Schuld. Möchtest Du Dich mit Deiner Einsamkeit für etwas bestrafen?

Was wir wiedererkennen, freut uns. Will heißen: Versuche z.B. eine Sprache zu erlernen und merke, wie mühselig das sein kann und wieviel Disziplin Du brauchst. Doch eines Tages kommt der Punkt, an dem Du plötzlich Spaß hast daran. Die Dinge eröffnen sich erst nach einer ganzen Weile. Wenn Dir dann das, was Du gelernt hast, im Alltag begegnet, wirst Du Dich freuen.

  • Suche nach nur ein oder zwei engeren Bindungen und pflege sie. Du brauchst nicht viele Freunde, sondern wenige Freunde, bei denen die Freundschaft tief ist. Eine einzige gute Bindung kann das Gefühl in Dir hervorrufen, Dich mit allem verbunden zu fühlen. Wichtig ist also, dass das Bindungssystem quasi überhaupt „anspricht“.
  • Suche die Wahrheit. Versuche immer wieder, Deine inneren Wahrheiten zu finden und bleibe dabei, wenn Du mit anderen sprichst und zusammen bist. Wenn Dich jemand fragt, wie es Dir geht, versuche so ehrlich wie möglich zu sein – nur so kann der andere Dir begegnen.
  • Gehe davon aus, dass auch andere Menschen ähnliches Leid kennen wie Du. Es heißt: „Wut schmeckt allen gleich“. Die Gründe von Wut mögen unterschiedlich sein, aber das Gefühl der Wut ist bei den verschiedenen Menschen ähnlich.

Beschäftige Dich mit guten Youtubevideos, z.B. mit Buddhismus. Ich empfehle gerne Pema Chödrön, Eckhart Tolle oder Muho Nölke (z.B. „Echtes Glück bedeutet, auch unglücklich sein zu können“. Deutschlandfunkkultur 2017)

  • Eröffne einen Blog zu Deinem Lieblingsthema – so können Menschen Dich finden.
  • Gehe ins Kloster.
  • Erforsche Deine Ängste, die Du im Zuzweitsein haben könntest – vielleicht befürchtest Du, Du müsstest Dich selbst aufgeben, sobald Du mit einem anderen Menschen zusammen bist. Beschäftige Dich mit dem Psychoanalytiker Donald Winnicott oder mache eine Psychoanalyse (Analytische Psychotherapie, z.B. drei bis vier Mal pro Woche, wird in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen gezahlt, www.dgpt.de)
  • Gib bei der Partnersuche nicht auf – auch, wenn es 10 Jahre und mehr dauert. Schaue nach guten Portalen und wenn Du genügend Geld hast, plane die Ausgaben dafür ein.

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Links:

Sabaß L. et al. (2022):
Attachment mediates the link between childhood maltreatment and loneliness in persistent depressive disorder.
Journal of Affective Disorders, Volume 312, 1 September 2022, Pages 61-68
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0165032722006814

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