Ist eine kPTBS heilbar?

Eine komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) kann furchtbar quälend sein. Die Betroffenen sind immer wieder geplagt von tiefen Einsamkeitsgefühlen, von unaushaltbaren Spannungen in Beziehungen, von schweren körperlichen Symptomen und kaum auszuhaltenden Ängsten. Viele fragen sich: Ist meine kPTBS heilbar? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Ich für mich beantworte nach vielen Erfahrungen diese Frage so: Es gibt eine Art Heilung, ohne „geheilt“ zu sein. Mein alter Professor starb an Krebs, aber er sagte zu mir: „Ich bin ein gesunder Krebskranker. Ich fühle mich sehr wohl.“ Meine Erfahrung ist, dass es ähnlich gehen kann bei der kPTBS.

Bei einer unbehandelten kPTBS fühlen sich viele Betroffenen ihren vielen Beschwerden hilflos ausgeliefert. Es fällt ihnen vielleicht sehr schwer, Beziehungen zu knüpfen, arbeiten zu gehen und nicht in Anspannung zu geraten. Die Symptome kommen olötzlich wie bei einem Überfall. Leicht wird das Leben zu einem Drama. Die psychischen Schmerzen sind sozusagen „ungehalten“ und beziehungslos.

Was hilft?

Aus meiner Sicht ist bei einer kPTBS die Psychoanalyse in Kombination mit Yoga sehr heilsam. Es dauert sehr, sehr lange, es braucht viel Zeit und man muss nahezu täglich daran arbeiten. Es kommt im Laufe der Jahre zu dem Gefühl, dass die eigenen Beschwerden von einem anderen (dem Psychoanalytiker) mitgetragen werden. Dieses Gefühl geht dann in mich über – ich kann meine psychischen Schmerzen mit der Zeit innerlich selbst tragen.

Die Fähigkeit, sich selbst zu beobachten, wächst. Es findet eine innere Differenzierung statt. Eine Betroffene sagt: „Ich kann mich innerlich beobachten und kann ruhig dabei bleiben, auch wenn ich zum Zerreißen unruhig, angespannt und ängstlich werde.“ Durch das Yoga entwickelt man ein sehr feinsinniges Gefühl für sich selbst. Anspannungen kann ich so viel früher bemerken. Ich kann mich im Alltag zunehmend auf eine verlängerte Ausatmung konzentrieren. Der unruhige Geist wird ruhiger.

„Früher ging ich immer davon aus, dass mich andere grundsätzlich nicht verstehen können. So habe ich es ja auch immer wieder erlebt. Ich war wie versteinert. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass jeder Mensch auf seine Weise leidet und dass er das, was ich erlebe, auf seine Weise auch irgendwo kennt und vielleicht sogar nachvollziehen und mitfühlen kann. Seither fühle ich mich viel weniger einsam“, sagt eine Betroffene.

Die tiefe, verstehende und beruhigende Kommunikation mit dem Psychoanalytiker in einer hohen Frequenz (viermal pro Woche) kann ich in mich aufnehmen udn zunehmend selbst in dieser Weise mit mir kommunizieren. Es wächst etwas in mir, das mich selbst hält.

„Yoga ist wie Hundeschule – zwar kann ich meinen Körper nicht immer kontrollieren, aber er gehorcht mir etwas besser“, sagt eine Betroffene.

Berührung wird möglich

Es gelingt zunehmend, sich emotional berühren zu lassen und andere zu berühren. Die vorher oft „verstockte“ Kommunikation nach innen und außen wird weicher und fließender. Eine Betroffene sagt: „Ich kann mit anderen Menschen viel leichter in Beziehung treten, was der Einsamkeit entgegenwirkt. Ich kann die tiefe Einsamkeit wahrnehmen und muss nicht mehr gleich handeln, weil ich diesen Zustand nun auf irgendeine Weise halten kann.“

Ein Zeitgefüge entsteht

Zusammenbrüche kommen immer wieder. Und manchmal ist es, als hätte man keine einzige Behandlungsstunde erlebt. In Phasen meint man immer wieder, ganz am Anfang zu stehen. Doch die Erfahrung zeigt, dass diese Phasen zu einem Ende finden. Vor der Psychoanalyse schienen die furchtbaren Zustände viel zeitloser zu sein.

„Heilung“ besteht also aus meiner Sicht aus der Fähigkeit, die furchtbaren Zustände halten und beobachten zu lernen. Sie lassen sich einordnen und sie lassen sich in Beziehung setzen – zu mir selbst, zu anderen und zum Zeitverlauf des Lebens. Dadurch wird das Gefühl von Ausgeliefertsein und Hilflosigkeit geringer. Gleichzeitig wächst die Fähigkeit, sich dem Leben hinzugeben und über das Ausgeliefertsein und die Hilflosigkeit zu meditieren. Die „Heilung“ bringt Beweglichkeit und Beziehung in das Ganze.

Was wir als Betroffene erlebt haben, lässt sich nicht konkret ändern. Aber es kann sich innerlich weiterentwickeln und aus neuen Blickwinkeln betrachtet werden. Unsere „inneren Objekte“ verändern sich und somit auch unsere Beziehung zu uns selbst und anderen. Wir können das Erlebte in etwas Kreatives umwandeln und sich daraus etwas entwickeln lassen. Das fühlt sich oft so schön an, dass es einer Heilung gleichkommt – es ist die tiefe Zufriedenheit, die sich aus all der Arbeit gewinnen lässt.

Es kann manchmal eine tiefe Sinnhaftigkeit aus etwas entstehen, was vorher nur zerrissen und sinnlos erschien. Und manchmal bleibt alles sinnlos und zerrissen. Den Wechsel können wir beobachten. Die Motivation zur harten Arbeit erwächst aus der Verzweiflung. Und oft fängt die bewusste und sinnvolle Arbeit mit Warten, Hoffen, Sich-Umsehen und der Suche nach den geeigneten Hilfen an.

Es ist nicht gut. Aber so ist es gut.

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One thought on “Ist eine kPTBS heilbar?

  1. Alexander sagt:

    „Und oft fängt die bewusste und sinnvolle Arbeit mit Warten, Hoffen, Sich-Umsehen und der Suche nach den geeigneten Hilfen an.“
    Das probiere ich nun seit einigen Jahren. Hat sich bisher niemand erbarmen können mit mir zu arbeiten.
    Was ist der nächste Schritt?

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