
Die Begriffe „Körperbild“ und „Körperschema“ werden oft gleichsinnig benutzt und sind nicht streng definiert. Der italienische Psychoanalytiker Massimo Cuzzolaro schreibt (2018): „However, there are no reliable definitions of these two notions that were and are often used interchangeably, as synonyms, in a confused way. Body schema and body image are metaphorical expressions.“ Cuzzolaro Massimo (2018): Body Schema and Body Image: History and Controversies. In: Massimo Cuzzolaro, Secondo Fassino (eds): Body Image, Eating, and Weight. Springer, Cham. https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-319-90817-5_1
„Körperschema/Körperbild entwickeln sich auf der Basis früher Objektbeziehungen, also zwischen Mutter (und weiteren Bezugspersonen) und Kind.“ Dieser Satz ist vielleicht noch verständlich.
Die folgenden Sätze sind schwieriger:
„Körperschema meint nach (Sir Henry) Head* die neurophysiologische Repräsentanz der gemachten Erfahrungen. Körperbild bezeichnet nach (Paul) Schilder die phänomenale Körperlichkeit in den Beziehungen zur Umwelt, als ‚Summe aller auf den Körper bezogenen Empfindungen‘.“
Anne Budjuhn: Körperbild. Wörterbuch der Psychotherapie: S. 375-376, https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-211-99131-2_1018.
Anne Budjuhn schreibt auch, dass die Fähigkeit zur Symbolisierung gestört werden kann, wenn sich Körperbild und Körperschema nicht richtig entwickeln können.
* Nach Henry Head sind auch die „Headschen Zonen“ benannt, also die Areale auf der Körperoberfläche, die breitflächig von einem Nerven und seinen Verästelungen durchzogen werden.
Wenn man sagt, dass magersüchtige Menschen eine „Körperschemastörung“ haben, dann heißt das, dass sie sich meistens als „zu dick“ empfinden bzw. als dicker als sie in Wirklichkeit sind. Die „Repräsentanz“ über die Körperproportionen stimmt dann also nicht: Was sich die Patientinnen vorstellen ist anders als das, was Waage und Zentimetermaß sagen.
Aussagen wie „Ich fühle mich so stachelig wie ein Igel“ oder „In der heutigen Zeit bin ich übergewichtig – früher wäre ich mit meinem Gewicht normal gewesen“ sind Aussagen zum „Körperbild“. Das Körperbild ist also auch gesellschaftlich geprägt. Und es ist geprägt von dem, was die Eltern zu mir sagten oder davon, ob ich als Kind hauptsächlich zärtlich oder ruppig angefasst worden bin. Fühle ich mich „dreckig“, weil ich zu viel Angstschweiß produziere? Fühle ich mich wohl in meiner Haut? Auch dies sind Fragen zum „Körperbild“.
Der Psychoanalytiker Wolfgang Leuschner schreibt: „Der Begriff ‚Körperbild‘ ist bekanntlich von dem Wiener Psychoanalytiker und Neuropathologen Paul Schilder (1886-1940) geprägt worden.“ Paul Schilders Körperbild-Modell und der „Body Intercourse“, Psyche, Klett-Cotta 2017/02
„Das Körperbild kann durch einen Introjektions-Projektions-Mechanismus verändert werden.“ (Schilder, 1923). In: Renate Schwarze: Körperbildstörungen. Wörterbuch der Psychotherapie: S. 376, https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-211-99131-2_1019
Der Psychotherapeut Serge Sulz schreibt: „Henry Head (1861-1940) hat 1920 den Begriff des Körperschemas geprägt: als einem neurophysiologischen Vergleichsstandard, der hilft, afferente propriozeptive Impulse zu identifizieren, z.B. Änderungen der Körperhaltung, und der zudem der Lokalisation von Oberflächenreizen dient.“ https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-642-71593-8_33,
Sulz, S.K.D. (1987): Eine Methode zur Erfassung des Körperbildes: Mein Körper als kognitives Konzept in einem Bedeutungsraum. In: Lamprecht, F. (Hrsg.): Spezialisierung und Integration in Psychosomatik und Psychotherapie. Springer-Verlag.
Serge Sulz:
https://www.feeling-seen.de/vita-serge-sulz und
https://www.ku.de/ppf/paedagogik/lehrstuhl-fuer-sozialpaedagogik/mitarbeitende/prof-dr-serge-sulz-honorarprofessur
Ein Körperschema kann erweitert werden: „Diese verkörperte Dimension des Selbst ist so eng an die Interaktion mit der Umwelt gebunden, dass seine Grenzen nicht einmal notwendig mit denen des Körpers zusammenfallen. Beim geschickten Werkzeuggebraucht, etwa beim Klavierspielen oder Autofahren, schließen sich die INstrumente an das Körperschema an und werden zu Teilen des fungierenden Leibes; daher spürt der Blinde den Boden an der Spitze seines Stocks, nicht in seiner Hand.“ (Thomas Fuchs: Selbst und Schizophrenie. DZPhil, Akademie Verlag 60 (2012) 6: S. 889)
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 5.12.2020
Aktualisiert am 4.9.2022