
Es muss bei weitem nicht „das eine große Trauma“ sein, das das Leben eines Menschen zerstört. Vielmehr ist es oft die Ansammlung vieler lauter, chaotischer und wiederholt schwer verletzender Situationen, die man als Kind erlebte und die dann zu einer extremen Anspannung, Nervosität und Angst im Erwachsenenalter führten. Ähnlich wie die „früheste Kindheitserinnerung“ die Atmosphäre der frühen Kindheit widerspiegelt, erinnern sich dann viele Betroffene an eine sehr schlimme Begebenheit, die ihnen dann wie „das entscheidende Trauma“ vorkommt. In Wirklichkeit ist jedoch die Gesamtheit der Erlebnisse das Problem.
Komplexe Traumatisierungen fanden schon oft in der frühesten Kindheit statt, als es noch keine Worte gab. Werden kleine Kinder gequält, dann steht ihnen später kaum eine bewusste Erinnerung zur Verfügung. Sie konnten zum damaligen Zeitpunkt noch nicht über das Erlebte sprechen. Schwere psychische und körperliche Symptome, die sich scheinbar kaum erklären lassen, können die Folge sein.
Schicksale
Und auch später fehlen oft die Worte für das, was sich abspielt. Da kann es zum Beispiel sein, dass eine depressive Mutter nicht ausreichend gut auf die Bedürfnisse des Kindes reagieren konnte und dem Kind wie eine Mauer erschien. Oder eine psychisch kranke Mutter hat ihr Kind mit einem symbiotischen Containment fast ständig überfordert – das Kind musste die Mutter beruhigen, nicht umgekehrt. Ein alkoholkranker Vater schwebte mit sexuellen Anspielungen und Übergriffen durch die Wohnung. Es waren Situationen, die sich auch im Erwachsenenalter nur schwer beschreiben lassen. Es waren bedrückende Atmosphären, die bei manch einem Kind zu einer kPTBS und vielleicht sogar zu einer Psychose geführt haben.
Bunte Symptome
In der Therapie im Erwachsenenalter ist es dann höchst mühselig, herauszufinden, was da war und wie sich die unmöglichsten Symptome erklären lassen. Betroffene beschreiben ihre Beschwerden mitunter so:
- „Ich möchte immer rausrennen, wenn ich mit jemandem in einem Raum bin – auch wenn der andere noch so freundlich erscheint.“
- „Ich komme mir ständig eingesperrt vor, sodass es mir nicht möglich ist, zu arbeiten.“
- „Wenn ich sehe, wie sich die anderen über kleinste Probleme aufregen, kann ich nur verzweifeln, weil keiner ahnt, was ich durchgemacht habe.“
- „Ich habe ständig Schmerzen oder vegetative Symptome. Ich fühle mich die meiste über elend. Die Zeiten, in denen es mir einigermaßen gut geht, sind in der Minderheit.“
- „Ich kann nicht ins Kino gehen, weil mir die Filme viel zu laut sind. Ich hatte genug Lärm in meinem Leben.“
Plötzliche Anspannung, starke Erschöpfung, unsagbare Angst, körperliche Beschwerden wie Schwitzen, Schwindel, Schmerzen, Atemnot, Kribbelgefühle und Tunnelblick machen es den Betroffenen oft schwer, Beziehungen zu führen, weil sie von ihren Beschwerden regelrecht überfallen werden und selbst nicht erklären können, warum es ihnen auf einmal so schlecht geht. Es fällt vielen Betroffenen schwer, überhaupt einen Partner zu finden. Wenn der Partner gefunden ist, ist die Sorge oft groß, ihn zu sehr zu belasten. Die schweren Anspannungen führen mitunter oft zu dramatischen Diskussionen.
Die kPTBS führt häufig auch zu Adipositas, Herz-Kreislauferkrankungen und infolge dessen zu einer verkürzten Lebenserwartung. Wichtig ist es, diese Zusammenhänge zu sehen, um Hilfe zu bekommen, die so gut und passend wie möglich ist.
(Beispielstudie PTBS und kardiovaskuläre Erkrankungen: Edmondson D and Cohen B: Posttraumatic Stress Disorder and Cardiovascular Disease. Progress in Cardiovascular Diseases, Volume 55, Issue 6, May–June 2013, Pages 548-556,
www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0033062013000613)
Traumatische Atmosphären und offene Gewalt hinerlassen ihre Spuren
Komplexe posttraumatische Belastungsstörungen entstehen häufig nach lang andauernder offener oder verdeckter Gewalt. Häufig entstehen daraus schwere Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen. Nicht wenige Betroffene erhalten die Diagnose „Borderline-Störung“. Manche Betroffene werden selbst gewalttätig, weil sie nicht wissen, wie sie mit ihrer Hilflosigkeit umgehen können. Andere wiederum kompensieren ihre Erlebnisse so, indem sie sagen: „Ich will niemals gewalttätig werden, niemals mein Kind schlagen, ich will niemals aggressiv sein!“ Die Gewaltlosigkeit ist ihr höchstes Ideal.
Das Problem bei der Maxime „Gewaltlosigkeit“ ist nur: Die Gewalt wurde vielen Betroffenen wie mit einem Stempel mitgegeben. Sie ist noch in ihnen und sie spüren das oft auch, aber sie können dem nicht nachgehen, weil gewaltsame Gedanken und Phantasien für sie inakzeptabel sind.
Wer dem Bösen auf die Spur kommt, kann es besser regulieren
Jeder Mensch hat an sich schon das Potenzial, „böse“ zu werden: Wenn ich Hunger habe und nichts zu essen bekomme, werde ich zunehmend aggressiv. Wenn ich von denen, die ich liebe, ausgeschlossen werde, kommt der Hass. Bei Menschen mit einer kPTBS, die sich schon sowieso oft gequält fühlen, wirken die neue Verletzungen wie ein Brennglas. Die Betroffenen haben oft einen großen inneren Hass auf ihre Eltern und auf die Welt. Oft leiden sie an einer extremen Rachsucht, ohne dass es ihnen im Geringsten bewusst ist. Ihre „Feinde“ sind dann mitunter andere, scheinbar „böse“ oder „dumme Menschen“. So können Menschen mit einer kPTBS sehr aktiv sein im Tierschutz, in Antidiskrimierungsbewegungen oder im juristischen Bereich. Auch kommen die schärfsten und verletzendsten Bemerkungen oft von Menschen, die selbst am tiefsten verletzt sind.
Wenn Menschen mit einer kPTBS sich unverstanden fühlen, werden sie häufig extrem wütend. Es ist ein scharfer innerer Schmerz, der die Wut hervorruft, sie aber auch verdeckt. Das Problem ist, dass Menschen mit einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung häufig davon ausgehen, dass andere sie nicht verstehen können – teilweise zu Recht, denn was sie erlebt haben, geht oft über die Phantasie von Menschen mit weitgehend gesunden Eltern hinaus.
Das Gefühl, zu denken hängt eng mit dem Gefühl, zu handeln zusammen
Viele Betroffene haben die unbewusste Phantasie, dass etwas schon Realität geworden ist, wenn sie es nur dachten (siehe Thought-Action-Fusion). Das hat oft damit zu tun, dass ihre eigenen körperlichen und psychischen Grenzen missachtet wurden, sodass sich die Betroffenen oft nicht ganz sicher sind, ob sie eine abgegrenzte Person sind, deren Gedanken und Gefühle in ihnen sicher sind.
Dieses unsichere Gefühl wird oft dann noch erschwert, wenn es schwerfällt, die eigenen Impulse zu kontrollieren. Wer sich in die Ecke gedrängt fühlt, reagiert prompt und heftig – ein schlechtes Gewissen ist häufig die Folge. Doch die Kontrolle über das eigene Verhalten kann so schwer fallen wie das ruhige Sitzenbleiben, wenn der Zahnarzt plötzlich einen Nerv getroffen hat. Hier können jahrelanges Yoga, Meditation und Psychoanalyse helfen.
Was Menschen mit einer kPTBS spüren, ist, dass sich ihre innere Erlebniswelt oft wie ein Schleier auf die äußere Welt legt. Immer wieder fühlen sie sich bedroht, bedrängt, missachtet, alleingelassen, gezwungen oder eingesperrt – auch, wenn andere weit davon entfernt sind, sie zu zwingen, einzusperren oder anzugreifen.
Die Beziehungen von Menschen mit einer kPTBS gestalten sich daher oft kompliziert und sehr dramatisch.
Es ist so ungerecht!
In einer Psychoanalyse wird das „innere Böse“ nach und nach freigelegt. Das ist extrem schmerzhaft, denn es fühlt sich ungerecht an: Wer traumatisiert wurde, der hat sowieso schon „die Arschkarte gezogen“. Und dann soll er es sein, der an sich arbeitet und der entdeckt, wie aggressiv und zerstörerisch er selbst ist?
Es ist zum Schreien ungerecht: Der Weg ins Trauma ist schmerzhaft, aber der Weg nach draußen ist oft ebenso grausam.
Auf der Suche nach Lebenssinn
Manche spüren einen so großen Lebensschmerz, dass sie sich jeden Morgen fragen, ob sie noch leben wollen. „Andere haben es so viel leichter!“, sagt eine Betroffene. „Der Neid auf die anderen, die gute Beziehungen haben und sich beruflich mühelos entwickeln können, bringt mich noch um.“ Die Gefühle sind oft unglaublich stark ausgeprägt und die Betroffenen wissen kaum, wohin mit ihren Qualen. Besonders schwierig wird es dann, wenn die Außenwelt verständnislos zu sein scheint.
Wer ängstlich-depressiv ist und Schlimmes erlebt hat, erweckt in der Regel Mitleid. Die anderen sind zugewandt und wollen helfen. Ein Mensch jedoch, der sich nach Vernachlässigung und frühesten Gewalterfahrungen „asozial“ verhält, der offen aggressiv oder kriminell ist, erfährt kein Mitleid mehr. In beiden Fällen können die Betroffenen jedoch an einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (kPTBS) leiden.
Häufig sind Jungen und Männer von dieser Folge betroffen. Bei Frauen finden wir häufig selbstverletzendes Verhalten. Betroffene, die die Diagnose „Borderline“ erhalten haben, stoßen mitunter auf Ablehnung. Das Therapeutenteam wird streng und sagt: „Wir müssen der Patientin eine klare Front bieten, wir müssen ihr Grenzen setzen.“ Und schon haben wir wieder eine Situation, in der die Betroffenen leiden und sich unverstanden fühlen (siehe: „Bei Borderlinern muss man hart bleiben„).
Es ist ein extrem schwieriger Kreislauf. Es braucht wirklich gut ausgebildete Psychotherapeuten und Psychoanalytiker, die diese Kreisläufe durchschauen und die bereit sind, die Innenwelt der Betroffenen mit ihnen gemeinsam zu erforschen.
Rauskommen durch Bildung und die Hilfe anderer Menschen
Sogenannte „stützende Verfahren“, Skills, Sport, Entspannungsverfahren, Lösungs- und Ressourcenorientierung oder Antiaggressionstraining können wichtige Stützpfeiler sein. Doch die Schwierigkeiten in der Beziehung können meiner Meinung nach nur in einer intensiven therapeutischen Beziehung deutlich und somit auch verstanden werden. Es erfordert von den Betroffenen und von den Therapeuten viel Mut, sich auf die Wahrheitssuche zu begeben. Doch wer sich auf diesen Weg begibt, kann sich oft mehr verändern, als er je erhofft hatte.
Es dauert lange. Ein großer Leidensdruck und der „Biss“, es wissen zu wollen, sind eine wertvolle, gesunde Voraussetzung. Schon der Beginn der Suche nach ernsthafter Hilfe ist ein Schritt in die ersehnte Richtung hin zu erfüllenden Beziehungserfahrungen.
Leider gibt es die komplexe posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) noch nicht als offizielle Diagnose in der ICD-10 (International Classification of Diseases). Meistens behelfen sich Psychotherapeuten, indem sie den Betroffenen Mischdiagnosen geben, z.B. F43.1 Posttraumatische Belastungsstörung, F62.0 Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, F60.3 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (Typ Borderline = F60.31) oder Z61 Kontaktanlässe mit Bezug auf Kindheitserlebnisse.
In der ICD-11 ist die kPTBS hier aufgelistet: https://icd.who.int/browse11/l-m/en#/http://id.who.int/icd/entity/585833559
Verwandte Artikel in diesem Blog:
Buchtipp:
Dunja Voos:
Schatten der Vergangenheit.
Trauma liebevoll heilen und innere Balance finden.

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 12.7.2020
Aktualisiert am 4.1.2022
Dunja Voos meint
Lieber Robert,
vielen Dank auch für Ihre Rückmeldung.
Die Psychoanalyse ist immer auch „Traumatherapie“ und „traumaorientiert“. Aus meiner Sicht ist es die intensivste Form der Traumatherapie aufgrund ihrer Beziehungsintensität.
Robert meint
Hallo Frau Voos, vielen Dank für Ihre Worte, ich finde sie werden hier etwas zu oft für ihren satzbau kritisiert. Zumindest finde ich mich in dem geschriebenen sehr gut wieder und finde es toll das auch solche eher für den Alltag subtilen Wahrnehmungen in dem Text Ausdruck finden. Ich weiß leider nicht an welche Therapieform ich mich wenden soll, analytisch, traumaorientiert? Haben sie dazu eine Empfehlung? Vielen lieben Dank
Dunja Voos meint
Liebe/r Unbekannt,
ich freue mich sehr über Ihren Kommentar!
Herzliche Grüße,
Dunja Voos
Unbekannt meint
Guten Tag
Ich finde diesen Text sehr entsprechend gegenüber meinem Empfinden meiner K-PTBS. Ein grosses Lob. Das hab ich so noch nie so aufklärerisch sonst wo gefunden.
Zu mir. Ich habe seit ca. 1,5 Jahren eine K-PTBS durch Traumas, Nahtoderfahrung, wie zweimal versuchter Todschlag, Gehirnwäsche, Emotionaler Missbrauch durch eine Person mit Narzisstischer Persönlichkeitsstörung und durch eine Person mit Passiv-Aggressiver Persönlichkeitsstörung. Des weiteren übe ich mich täglich so gut es geht in Achtsamkeit und halte den Austausch mit einer Schutzbehörde. Ich finde es vor allem wichtig, weg vom Täter zu kommen. Das ist jedoch nicht immer so einfach. Man sollte da schauen was klappt, Therapie oder eine Hilfsstelle, man sollte sich nicht einfach unter Antidepressiva setzen lassen, sondern schauen, dass einem geholfen wird, besonders bei akuter gegenwärtiger Misshandlung oder Lebensgefährdung. In meiner Situation als Beispiel ist es sicher hilfreich, Streits und Konflikte zu vermeiden, wenn auch auf meine Kosten, jenachdem. Es kann jedoch sehr schwierig sein mit einer K-PTBS. Besonders mit einem Leben am Limit, wobei man dann wiederum von praktisch niemandem verstanden wird, weil sich die meisten Menschen sowas gar nicht vorstellen können. Immer gut ist Aufklärung, reden, kommunizieren, Respekt, Grenzen wahren, für sich selbst einstehen, es nicht so weit kommen lassen, dass die eigenen Grenzen überschritten werden und man dann sich in riskante Situationen wagt. Sich selbst glauben, vertrauen. Zwangsgedanken nicht vertrauen, sie sind nur ein Nebenprodukt. CBD-Tropfen 11 Prozent als Notfallmedizin bei zum Beispiel Panikattacken, Gleichgewichtsverlustattacken, zu vielen, zu starken Zwangsgedanken. Blutbild beim Arzt checken lassen. Genug essen, viele langanhaltende Kohlenhydrate, Protein, Fett. Als Vegetarier Eisen, Vitamin C, B-Vitamine.
Liebe Grüsse von ganzem Herzen
Unbekannt
K meint
Seit dem ICD11 ist die kptbs eine eigenständige Diagnose, der Artikel ist doch irgendwie problematisch und sehr hart. Manche Dinge verstehe ich und diese sind auch akkurat aber „böse Gedanken“ und vor allem dieser Abschnitt:
„Wenn ich von denen, die ich liebe, ausgeschlossen werde, kommt der Hass. Bei Menschen mit einer kPTBS, die sich schon sowieso oft gequält fühlen, wirken die neue Verletzungen wie ein Brennglas. Die Betroffenen haben oft einen großen inneren Hass auf ihre Eltern und auf die Welt. Oft leiden sie an einer extremen Rachsucht, ohne dass es ihnen im Geringsten bewusst ist. Ihre „Feinde“ sind dann mitunter andere, scheinbar „böse“ oder „dumme Menschen“. So können Menschen mit einer kPTBS sehr aktiv sein im Tierschutz, in Antidiskrimierungsbewegungen oder im juristischen Bereich. Auch kommen die schärfsten und verletzendsten Bemerkungen oft von Menschen, die selbst am tiefsten verletzt sind„
Aber natürlich ist es ein leichtes solche Texte zu verfassen, wenn man es nicht selbst erlebt hat.
Auch die Anmerkung mit „dem häufigen frühen Tod.
Was denken Sie löst dieser Wortlaut aus?
Dennoch alles Gute Ihnen und ich hoffe Dass Sie mittlerweile etwas erfahrener/weiter auf diesem Gebiet sind.
Es ist einfach sehr gefährlich, Patienten die sich eh schon einreden dass sie der schlimmste Mensch auf Erden sind, auch noch zu bestätigen.
Dunja Voos meint
Das Leid wird hier sehr deutlich … Rache bringt auf Dauer keine guten Gefühle oder Entlastung. Es auszuhalten, damit zu leben, dass Täter (nächste Bezugspersonen) „ungestraft“ weiterleben, ist enorm schwer, aber oft der beste Weg.
Andreas meint
Böse Gedanken und Rachedurst sind mir im Alltag sehr hilfreich, da ich nicht einsehe, dass die Täter meiner Kindheit und gesamten Jugendzeit ihr Leben sorglos führen dürfen, während ich mich in glühenden Kohlen wälze.
Dunja Voos meint
Ich freue mich sehr über Ihre Worte, lieber Hope. Vielen Dank! Solche Rückmeldungen sind für mich sehr wichtig, damit ich sehe, was hilfreich ist. Gerne mache ich weiter so :-)
Hope meint
Hi!
Vielen Dank für den langen,sehr detaillierten und informativen Artikel! Es ist April 2022,es gilt eigentlich schon längst die ICD-11,und trotzdem hält sich kein Psychiater dran bzw.beschäftigt sich überhaupt mit den wichtigen Änderungen- insbesondere kPTBS!! Traurig.Hoffentlich ändert sich das bald… Ich bin Ihnen umso dankbarer,dass Sie für uns Betroffene soviele Infos ins Netz stellen. Ich( männlich,43Jahre) habe schon seit Jahren eine komplexe PTBS,entwickelt durch mehrere und langdauernde Traumatisierungen(hauptsächlich im Erwachsenenalter).
Mein Therapeut hat das auch erkannt,allerdings erst,als ICH SELBST meine starke Vermutung äusserte(2021).Leider kennt sich ( bisher) fast niemand damit aus ( auch nicht mein,sehr guter ,Therapeut)sodass ich keine Hilfe bekommen kann. Ich hege KEINEN Hass gegen die verursachenden Personen,jedoch häufiger Ärger über deren Inkompetenz damals. Dann wieder die Schuldgefühle- wie von Ihnen beschrieben. Scham,Selbstvorwürfe usw..
Im Gegensatz zu anscheinend vielen anderen Betroffenen denke ich nicht,dass es mir schlechter geht als anderen Menschen.Ich möchte mit NIEMANDEM tauschen! Schließlich hat mir das Erlebte auch gezeigt,wieviel Kraft anscheinend in mir steckt.
Zum Glück habe ich ein unterstützendes Umfeld,das ich,z.T.mit großem Kraftaufwand,auch pflege,weil ich weiss,dass es enorm wichtig ist.
Was mir eher zu schaffen macht,sind die Ohnmachtsgefühle.Ich bin ein Kämpfer,schon immer gewesen und trotz allem immernoch.Radikale Akzeptanz ,weil man diese erlebten Dinge nicht mehr ändern kann,fände ich nicht hilfreich und zuviel verlangt,im Gegenteil.
Deshalb frage ich mich schon lange,wie ich gegen die inzwischen unüberschaubar vielen Flashbacks und Traumata,die mich so oft ungewollt in gefährliche Situation bringen,angehen kann.
Obwohl ich eher ein optimistischer Mensch bin und meine (schönen) Ziele habe,bin ich mit dem Umgang überfordert.Ich will leben,ENDLICH- und habe nie wirklich gelernt,wie.
Ich werde weitermachen.
Das Gute am Schlechten ist: es kann nur besser werden!! ;-)
Vielen Dank für Ihren Artikel.Es war ( bisher)der einzige,wirklich hilfreiche zu diesem Thema,den ich, nach langer Recherche, gefunden habe!!! Bitte machen Sie weiter so!:-)))
KatastroFEE meint
Hallo Frau Voos,
bei intensiver Recherche im Alleingang, nebst Windmühlen-Kampfes um eine adäquate Akutklinik, ohne Priorität auf 0815 Verhaltenstherapie ( bei kPTBS, HSP, Introversion, etc.) geriet ich auf Ihre informative Seite, mit interessanten Aspekten, zum Teil auch Wiederfindungswert. Danke dafür. Erlauben Sie mir dazu folgende Anmerkungen:
Diese „…wiederholt schwer verletzenden Situationen…“ sind nicht nur/ immer auf die Kindheit beschränkt.
>>Es muss bei weitem nicht „das eine große Trauma“ sein, das das Leben eines Menschen zerstört. Vielmehr ist es oft die Ansammlung vieler lauter, chaotischer und wiederholt schwer verletzender Situationen, die man als Kind erlebte und die dann zu einer extremen Anspannung, Nervosität und Angst im Erwachsenenalter führten. <>Wenn Menschen mit einer kPTBS sich unverstanden fühlen, werden sie häufig extrem wütend. Es ist ein scharfer innerer Schmerz, der die Wut hervorruft, sie aber auch verdeckt. Das Problem ist, dass Menschen mit einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung häufig davon ausgehen, dass andere sie nicht verstehen können – teilweise zu Recht, denn was sie erlebt haben, geht oft über die Phantasie von Menschen mit weitgehend gesunden Eltern hinaus.<<
Eine kPTBS ist/wird so oft "verschleiert" und BÄMH wird man falsch diagnostiziert, wenn man nicht höllisch aufpasst ("und können, vor Lachen!") …respektive "Hauptsache! iwie behandelt & die Ungesundheitssystemkassen klingeln".
Das könnten Sie, Betroffenen zuliebe, bitte zurechtrücken. Danke.
Bleiben Sie resiilient ;)
IMAGINE…PEACE !!!
die KatastroFEE-
Mitte 50ig, analyseaffin
Dunja Voos meint
Liebe Nicole, vielen Dank für Ihren Kommentar. Es war wirklich etwas hart formuliert und ich habe hier neue Worte gefunden. Aber die Tatsache bleibt bestehen. Ich weiß, dass diese Aussage einerseits beunruhigt, andererseits spüren es die Betroffenen selbst. Manche sind erleichtert, dass es hier so offen angesprochen wird. Wenn wir uns dessen bewusst sind, dann ist es auch leichter möglich, passendere Hilfe zu finden. Und natürlich gibt es auch viele schwer traumatisierte Menschen, die sehr alt werden.
Nicole meint
„Die Kptbs führt häufig auch zu…. und frühen Toden.“ (!) Okay, ich darf voraussetzen, dass Sie in Ihrer Position genau wissen, was so eine Aussage in Betroffenen auslösen kann. Und ich nehme an, dass viele Betroffene logischerweise diesen Bericht lesen. Tut mir Leid, aber umso unverständlich er für mich.
Alles Gute dennoch weiterhin
Dunja Voos meint
Liebe Hoffende, ich danke Ihnen sehr für Ihre Rückmeldung! Viele gute Wünsche Ihnen.
Dunja Voos
Lisa meint
Warum sind die zwei auf dem Bild nackt? Können die sich was anziehen bitte.
Hoffende meint
Vielen dank für diesen interessanten Text! Ich finde mich tatsächlich in allen Punkten wieder – auch in dem „bösen“, dem „gewaltvollem“. Ich bin mittlerweile über 50 Jahre alt und seit meinem 17.Lebensjahr habe ich verschiedene Therapien und Klinikaufenthalte gehabt. Ich habe dermaßen viele Diagnosen erhalten – kaum zu glauben!! Erst im letzten Jahr konnte ich in einer Therapie verstehen und anerkennen, dass ich nicht schuld habe, an dem was mir als Kind passiert ist! Dazu habe ich über 40 Jahre lang gebraucht. Es ist einerseits traurig und andererseits zeigt es mir das ich mich immernoch verändern kann, das es sich lohnt zu kämpfen, das mein Leben doch wieder ein Stück mehr Lebenswerter geworden ist.
Ich danke Ihnen für diesen Text, ich habe mir gerade auch Ihr Buch bestellt.
Ich hoffe es geht auch für mich noch ein Stück weiter.
Viele Grüße
eine Hoffende
Dunja Voos meint
Noch nie Rachegelüste? Noch nie böse Gedanken?
Icke meint
Anna Runkle hat es gut verstanden:
https://www.youtube.com/watch?v=ZzBl1zEf17Y
Icke meint
Alles gut, bis zu dem Punkt „Böse“. Ich sehe meine Emotionalen- und Kommunikationsprobleme, aber Ich hatte noch nie Rachegelüste, oder „Böse Gedanken“. Das ist zu einfach und unvollständig.