Die „Regelsetzer-Struktur“ ist oft Teil der narzisstischen Persönlichkeitsstruktur

Wenn wir besonders narzisstisch sind, dann haben wir oft starke Erwartungen an andere. Sollten wir Narzissten sein, dann sind wir psychisch möglicherweise manchmal so „strukturiert“, dass wir davon ausgehen, dass andere unsere Erwartungen erfüllen. Beispiel: Im Straßenverkehr erwarten wir – vielleicht im Stress-, dass man uns nicht zu behindern hat. Der Psychotherapeut Professor Rainer Sachse (IPP-Bochum) erklärt, dass Narzissten mitunter Erwartungen an andere stellen, die so gelten, als seien es Vorschriften für andere (Rainer Sachse: Der narzisstische Persönlichkeitsstil: Ressourcen und Kosten. Psychiatrie und Neurologie, 3/2016: S. 3, PDF). Sachse schreibt: „Die Person setzt die Regeln selbstverständlich, unreflektiert und automatisch; sie denkt nicht über ihre Legitimation nach oder darüber, ob andere solche Regeln wollen; sie geht eher selbstverständlich von einer Regelbefolgung aus.“ (S. 3)

Rainer Sachse und Kollegen schreiben über den „Narzissten“: „Daraus entwickelt sich ein ich-bezogenes Regel-Setzer-System. Da dieses System kompensatorisch ist, bezieht es sich inhaltlich auf das negative Selbst sowie auf das negative Beziehungsschema. Sagt das Selbstschema z.B.:
– Ich bin nicht wichtig. …
und das Beziehungsschema:
– In Beziehungen wird man nicht respektiert. …
– In Beziehungen wird man nicht gehört.
dann werden mit hoher Wahrscheinlichkeit im Regel-Setzer-Schema kompensatorische Regeln entwickelt wie:
– „Ich will, dass ich immer und jederzeit respektvoll behandelt werde.“ …
– „Ich will, dass man mir extrem aufmerksam zuhört.“
Auf der Kontingenzebene dieses Schemas stehen dann auch nicht drohende Konsequenzen für die Person des Regelsetzers, sondern konsequenterweise stehen hier drohende Konsequenzen für die Person, der die Regel gilt, für den Fall, dass sie die Regel nicht einhält:
– Wenn jemand mich nicht uneingeschränkt respektiert, dann wird er meine Wut zu spüren bekommen. …
Auf der Kontingenzebene nimmt die Person somit an, dass sie das Recht hat, die Befolgung ihrer Regeln einzufordern bzw. den Nicht-Befolger der Regeln zu strafen und sie definiert auch Konsequenzen für den Nicht-Befolger.“
Rainer Sachse, Janine Breil und Jana Fasbender
Beziehungsmotive und Schemata: Eine Heuristik
https://www.ipp-bochum.de/n-kop/beziehungsmotive-schemata.pdf

Was „Regelsätze“ (mit „ä“ wie der Schriftsatz in der Juristerei) aus philosophischer Sicht sind, beschreibt der Philosoph Wolfgang Friedhuber in seiner Masterarbeit: „Der Mensch ist in der Lage, aus symbolhaften Gleichnissen und Alltagserfahrungen allgemeine Regelsätze zu konkretisieren.“ (S. 44/45, Masterarbeit, Wolfgang Friedhuber: Kategorische Imperative in der Angewandten Ethik; Graz 2020, PDF) Friedhuber gibt anhand der 10 Gebote (= ein Regelsatz) aus der Bibel ein Beispiel für Regeln und einen Regelsatz: „Solange an die Erlangung eines ewigen, leidlosen Lebens durch Wohlverhalten geglaubt wird, ist darin eine hohe Motivation enthalten, sich gemäß der Regeln zu verhalten. Die Regeln sind einfach und leicht verständlich. Der für den Alltag benötigte Regelsatz umfasst gerade einmal zehn Regeln die gemäß der Überlieferung direkt von Gott übermittelt wurden. Diese Regeln sind konkret handlungsleitend ausformuliert.“ (Friedhuber, S. 125)

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Links:

Rainer Sachse, Janine Breil und Jana Fasbender
Beziehungsmotive und Schemata: Eine Heuristik
https://www.ipp-bochum.de/n-kop/beziehungsmotive-schemata.pdf

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 1.2.2021
Aktualisiert am 20.10.2023

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