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Aktuelle Seite: Startseite / Begriffe / Psychosomatische Beschwerden: Schuld, Selbstbestrafung oder sinnvolle Körpererfahrung?

Psychosomatische Beschwerden: Schuld, Selbstbestrafung oder sinnvolle Körpererfahrung?

17.10.2021 von Dunja Voos 2 Kommentare

Heutzutage kämen die Themen „Schuld, Überich und Selbstbestrafung“ nicht stark genug in der Psychoanalyse vor, höre ich manchmal. Der kanadische Psychoanalytiker Professor Donald L. Carveth (IPA), Toronto, hat zu diesem Thema einen Beitrag veröffentlicht: „Self-Punishment as Guilt Evasion: The Case of Harry Guntrip“ (Canadian Journal of Psychoanalyis, 15,1, 2007, PDF), zu deutsch: „Selbstbestrafung als Flucht vor der Schuld: Der Fall Harry Guntrip.“ Hier beschreibt Carveth, wie der Psychoanalytiker Harry Guntrip, der selbst eine Lehranalyse bei Ronald Fairbairn und Donald Winnicott gemacht hat, seine Analyse nicht zu Ende gedacht habe und auf einer Art paranoid-schizoider Position stehengeblieben sei.

Donald Carveth bezieht sich auf eine Textstelle, an der Harry Guntrip beschreibt, wie sein kleiner Bruder Percy gerade verstorben war (Guntrip, 1975). Das tote Baby habe nackt auf dem Schoß der Mutter gelegen. Harry Gruntrip selbst sei erst dreieinhalb Jahre alt gewesen und habe zur Mutter gesagt: „Don’t let him go. You’ll never get him back“ („Lass ihn nicht gehen. Du wirst ihn niemals zurückbekommen.“). Danach habe ihn die Mutter rausgeschickt.

Guntrip schrieb, dass er sich plötzlich sonderbar krank gefühlt habe und dachte, er müsse sterben: „She sent me out of the room and I fell mysteriously ill and was thought to be dying. Her doctor said: ‘He’s dying of grief for his brother’ (p. 746).“

Viele Erklärungen sind möglich

Im folgenden Jahr habe Guntrip immer wieder unter psychosomatischen Beschwerden, Bauchschmerzen, Hitzeflecken, Appetitverlust, Verstopfung und plötzlich hohem Fieber gelitten (Guntrip 1975, 1996: S. 747). Harry Guntrip deutete dies selbst als einen Versuch, die Aufmerksamkeit seiner kaltherzigen Mutter zu erwecken.

Während der damalige Arzt formulierte, dass Harry Guntrip an seiner Trauer sterben würde, hat Donald Carveth die Hypothese, dass diese Symptome eine Art Selbstqual darstellen, um sich von der Phantasie, schuld am Tod des Bruders zu sein, zu befreien. Späterhin habe Harry Guntrip seine Mutter immer wieder so wütend gemacht, dass sie ihn schlug, während seine psychosomatischen Symptome verschwunden seien. Die Theorie lautet also: Weil Guntrip nun Schläge erhielt, musste er sich nicht mehr schuldig fühlen und konnte somit auf seine körperlichen Symptome verzichten.

Betrachtet man das Ganze jedoch aus einer Art „körpertherapeutischen“ Sicht, könnte man auch sagen, dass die Schläge das Körperempfinden verändert haben. Manche Menschen schlagen sich z.B. selbst, um das schreckliche Gefühl von Depersonalisation zu beenden. Auch kann eine „echte Krankheit“ wie z.B. eine Grippe dazu führen, dass psychosomatische Beschwerden nachlassen, weil der Körper in seiner „Echtheit“ wieder gefühlt wird.

Außer acht gelassen haben vielleicht beide Psychoanalytiker die Möglichkeit, die sich aus der weiter entwickelten Säuglings- und Traumaforschung ergeben: dass sich Guntrip enorm mit seinem Bruder identifiziert haben könnte. Es könnte sein, dass es eine Art „Affektansteckung“ gegeben hat, obwohl der kleine Baby-Bruder schon tot war.

Möglicherweise hat Harry Guntrip sich als kleines Kind wie ein Sterbender gefühlt – genau so, wie sich möglicherweise sein Bruder kurz zuvor gefühlt haben könnte. Möglicherweise waren die Symptome auch direkte körperliche Symptome im Angesicht des Todes des kleinen Bruders, die sich sozusagen als Schockreaktion zeigten.

Es ist gut möglich, dass Harry Guntrips Symptome eine Mischung aus den verschiedenen Erklärungsansätzen waren. Und doch denke ich, dass heute immer noch häufig versucht wird, schwere körperliche Symptome mit einem strafenden Über-Ich zu erklären, obwohl auch der vielleicht schon sehr erfahrene Psychoanalyse-Patient bei aller Selbstreflexion dies nicht richtig nachvollziehen kann. Entweder ist das strafende Über-Ich dann so sehr mit dem Ich verschmolzen, dass es nicht mehr als strafende Instanz erkannt werden kann (siehe auch: Malignes Introjekt) oder aber es hat nichts mit Selbstbestrafung zu tun. Oft findet sich die Antwort nur, indem größere Zusammenhänge betrachtet werden: Treten die Beschwerden jedes Mal nach einem guten Tag oder nach einem Erfolg auf, dann kann der Zusammenhang zum Strafbedürfnis schon ersichtlich werden.

Mir kommt es manchmal so vor, als seien schwere körperliche Symptome und Druckgefühle eine Art „Selbstläufer“, die durch den Körper herumgeistern und sich infolge von Mini-Erinnerungen zeigen. Trigger können z.B. starre Körperhaltungen sein, die man kurz vorher eingenommen hat, bestimmte Tageszeiten oder andere Auslöser, die die Erinnerung an ein damaliges Ereignis im Sinne des „Embodiments“ körperlich hervorrufen.

Ich sehe diese Hypothese dadurch unterstützt, dass die Körpersymptome gelegentlich relativ rasch nachlassen können, wenn man z.B. bestimmte Atemtechniken anwendet, die man zuvor durch intensives Yoga erlernt hat, oder wenn man in den Arm genommen wird von jemandem, der ruhig atmet. Schuldgefühle und Selbstbestrafungswünsche würden meiner Erfahrung nach nicht in dieser Weise nachlassen. Sobald sich der Körper wieder gut anfühlt, kommt auch das psychische Wohlbefinden zurück, wobei das Gefühl, jetzt „genug gebüßt“ zu haben, meiner Meinung nach nicht als Erklärung ausreicht.

Ich könnte mir vorstellen, dass Betroffene mit der Zeit lernen können, zu unterscheiden, ob Körpersymptome eher auf Schuldgefühle und Bestrafungswünsche zurückzuführen sind oder ob sie weitgehend unabhängig vom Schuld-/Strafethema als Folge von Körpererinnerungen auftauchen.

Verwandte Artikel in diesem Blog:

  • Affektansteckung
  • Die Polyvagaltheorie, Trauma und Kommunikation
  • Autistisch-berührende Position nach Thomas Ogden

Literatur:

Carveth, Donald (2007):
Self-Punishment as Guilt Evasion: The Case of Harry Guntrip
Canadian Journal of Psychoanalyis, 15,1, 2007
https://www.yorku.ca/dcarveth/Guntrip.pdf

Guntrip, Harry (1975, 1996):
My experience of analysis with Fairbairn and Winnicott.
Int. Rev. Psycho-Anal., 2:145-156;
reprinted Int. J. Psycho-Anal., 77, 4 (1996): 737-754.

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Kategorie: Begriffe, Psychoanalyse, Trauma, Vegetativum Stichworte: Psychoanalyse, Trauma, VegetativesNervensystem

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Kommentare

  1. Dunja Voos meint

    19.10.2021 um 16:33

    Ganz herzlichen Dank, lieber Marcel, für diese wichtige Rückmeldung.

  2. Marcel meint

    18.10.2021 um 18:03

    Ein guter Beitrag in den ich mich selbst reinversetzen kann. An ”normalen Tagen“ hab ich viel mit Schwindel, Unruhe und ängstlicher Wahrnehmung des Körpers zu kämpfen. Dann gibt es aber diese Tage an denen ich nach einem Hexenschuss tagelang gequält mit Rückenschmerzen umherlaufe und seltsamerweise ist in dieser”Ausnahmesituation“ dann von der sonst so beständigen psychosomatischen Symptomatik nicht mehr viel vorhanden.

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