
Er dreht sich um. Ich schaue auf seinen Rücken. Ich höre, wie sein Atem tiefer wird. Er schlummert ein. Seine Gedanken schweifen ab. „Und was ist mit mir?“, möchte ich schreien. Ich starre auf die Decke, die sich gleichmäßig in seinem Atemrhythmus auf und ab hebt. Meine Haut fängt an zu jucken. Die innere Unruhe steigt in mir auf. Ich fühle mich verlassen. „Deine Mutter hat Dich unterm Dach stundenlang alleine schreien lassen“, erzählte man mir. Vielleicht ist es das frühkindliche Gefühl, das sich zu meinem Verlassenheitsschmerz hinzugesellt. Vielleicht aber ist es auch der ganz gewöhnliche Schmerz der Verlassenheit, der sich bei jedem Menschen einstellt, wenn er merkt, dass er nun alleine ist.
Es muss nicht viel sein: Der andere wendet sich ab, um einzuschlafen. Eine Freundin telefoniert mit einer anderen Freundin. Der Arzt ist im Urlaub. Nach der letzten Psychoanalyse-Stunde kommt das Wochenende. Die anderen spielen und arbeiten, während ich zu Hause sitze und nichts zu tun habe.
Wie wir mit diesen täglichen Gefühlen der Verlassenheit umgehen, kann je nach Vorerfahrungen immer wieder eine herausfordernde Frage sein. Fangen wir an, zu essen? Posten wir etwas auf Twitter, das einen Shitstorm auslöst? Schreiben wir wütende Briefe? Oder können wir in uns gehen, still werden und dem Gefühl der Verlassenheit nachlauschen, bis wir bei uns selbst angekommen sind?
elmo meint
Es ist gut zu lesen, dass sich dieses Gefühl schon bei „Kleinigkeiten“ einstellen kann. Die Möglichkeit des Nachlauschens, und damit bei sich selbst anzukommen, gelingt nicht immer, ist aber tröstlich. Danke für den Beitrag!