
„Bei den meisten chronisch schizophrenen Patienten, mit denen ich arbeitete, erlebte ich eine vorwiegend nicht-verbale Phase, die sich über einige (und in manchen Fällen über viele) Monate erstreckte. Es handelt sich hier zweifellos um die Phase, die der in Wien geborene Psychoanalytiker Kurt Robert Eissler (1908-1999) als die „Phase einer relativen klinischen Stummheit“ bezeichnete (Eissler, 1951).“ Das schreibt der Psychoanalytiker Harold Searles in seinem Buch „Der psychoanalytische Beitrag zur Schizophrenieforschung“ (S. 148). Während des Schweigens können Patient und Analytiker das Gefühl haben, sie seien wie eine Mutter-Säuglings-Einheit.
Harold Searles hält es für wichtig, der nonverbalen Phase ausreichend Zeit zu geben. So, wie sich die Psyche des Säuglings zuerst in einer nonverbalen Phase mit der Mutter entwickelt, so brauche auch der schwer Kranke diese Zeit des Kennenlernens und Vertrautwerdens. Der Übergang in die verbale Beziehung kann für beide ein schmerzlicher Schritt sein. Der Patient bekommt festere Ichgrenzen und er muss seine „ozeanische Ich-Welt-Beziehung aufgeben“ (Searles).
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Literatur:
Eissler, Kurt Robert (1951):
Remarks on the Psycho-Analysis of Schizophrenia
Bemerkungen zur Psychoanalyse der Schizophrenie
International Journal of Psycho-Analysis (1951) 32: 139-156
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 3.2.2016
Aktualisiert am 30.5.2021
Melande meint
Wobei bei mir die Frage aufkommt, wie in einem klassisch psychoanalytischem setting während einer längeren Phase ohne Worte die große KÖRPERLICHE Nähe der frühen Mutter+Kind-Einheit integriert werden könnte….(?).
Mit einem lieben Corona-Gruß von
Melande