
Die Sicherheit ist unsere Geliebte. Das Bedürfnis nach Sicherheit zählt zu unseren Grundbedürfnissen. Die Unsicherheit, unsere Feindin, lauert sie uns doch überall und jeden Tag auf. Unsicherheit ertragen zu lernen ist eine hohe Kunst. Es ist leichter, wenn man Beziehungen hat, die Sicherheit bieten. An der Hand eines Freundes lässt es sich besser ertragen, wenn man nicht weiß, wie es morgen weitergehen soll. Unsicherheit fühlt sich an, als stünde man auf einem Hochseil und müsste den nächsten Schritt setzen, ohne dass man wirklich gut balancieren kann.
Es ist, als drohte ein Schrank mit wertvollem Porzellan umzukippen, doch man kann ihn gerade noch daran hindern und festhalten.
Es sind alptraumähnliche Zustände. Unsicherheit macht die Hände zittrig. Sie lässt einen das Herz spüren. Unsicherheit als chronischer Zustand kann krank machen, wenn wir uns dauernd anspannen. Wir halten die Luft an. Um mit der Unsicherheit klarzukommen, braucht es Vertrauen. Natürlich kann morgen die Welt untergehen, aber doch haben wir das Vertrauen, dass die Sonne auch morgen wieder aufgeht.
Verlässliche Konstanten
Wettervorhersagen und Staumeldungen sind verlässliche Konstanten, während der Arbeitsplatz nicht sicher ist oder man um seine Gesundheit bangt. Unsicherheit ist auch eine Konstante – sie ist eigentlich immer da. Das Röntgenbild zeigt: Es gibt keinen Tumor, obwohl man fest davon überzeugt war, erkrankt zu sein. Die Erleichterung ist groß. Doch das Röntgenbild wird älter. Kann es nicht sein, dass man an einer anderen Stelle oder morgen dann doch …? Man will es nicht weiterdenken.
Eigentlich erleben wir ja alles nur, um’s später erzählen zu können.
Es passiert – oder auch nicht.
Theoretisch können wir jede Sekunde an einem Tumor erkranken oder von einem Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt werden. Wir wissen eben nicht, ob wir es schaffen. Aber wir können uns in das Unsicherheitsgefühl hineinbegeben, es genau spüren und erkunden. Unsicherheit und Ohnmacht hängen eng zusammen. Doch wir können damit leben, das können wir schaffen und aushalten. Aufgeben und Resignieren kann ebenso ein Weg sein wie der Entschluss, weiterzumachen und weiter zu hoffen. Manches wird vielleicht niemals einen Sinn für uns ergeben. Aber aus manchem, was wir wirklich nicht wollten, entwickelt sich später unsere Kraft und oft auch unser Glück.
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Dieser Beitrag erschien erstmals am 19.12.2015
Aktualisiert am 27.9.2021
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