Psychosomatische Betreuung in der Notaufnahme könnte Krankenhäuser entlasten

Waren Sie schon einmal in der internistischen Notaufnahme im Krankenhaus? Das müssen Sie mal Weihnachten oder Ostern machen: Der Warteraum quillt über! Und zwar sehr oft mit Patienten, die in seelischer Not sind. Da ist der „Asthma-Anfall“, der sich als pure Hyperventilation entpuppt, da sind die Bauchschmerzen, die Kopf- und Ohrenschmerzen, die Herzbeschwerden, die sich größtenteils als psychosomatisch erweisen. Immer wieder sind natürlich auch körperlich ernsthaft kranke Patienten dabei. Erfahrene Ärzte können oft relativ schnell sagen, was „ernst“ ist und was nicht. In jedem Fall aber könnte ein Psychotherapeut im Warteraum die Situation in der Notaufnahme entspannen.

Als junge Ärztin sah ich einmal eine junge Patientin, die mit einem furchtbaren Hustenanfall eingeliefert wurde. Ich dachte, sie erstickt gleich. Eilig kamen die Rettungsassistenten mit der Patientin in den Eingangsflur gefahren. Hinter dem Krankentrupp rannten unzählige Mütter, Schwestern, Tanten und Onkels her. Die Schwester schob die keuchende Patientin in einen Notfallraum. Sie stellte sich in die Tür und sagte zu den Verwandten: „Draußen bleiben!“ Sie schloss die Tür und war mit der Patientin allein. In wenigen Augenblicken hörte der dramatische Husten auf. Das ist ein typisches Beispiel für eine Patientin, der es zu Hause zu eng geworden war. Sie musste da einfach raus.

Was sich abgespielt hatte und wie es zu dem Hustenanfall gekommen war, wurde so schnell nicht deutlich. Klar war jedoch: die „Heilung“ der Patientin bestand erst einmal darin, sie von ihrer aufdringlichen Familie zu isolieren. Der jungen Frau fehlte zu Hause die Luft zum Atmen. Sie durfte erst einmal im Krankenhaus bleiben.

Viele Patienten können nach einem kurzen Gespräch wieder gehen

Von den vielen Patienten, die sich häufig im Wartebereich stapeln, könnten viele nach einem kurzen Gespräch wieder nach Hause gehen. Vielen reicht es, wenn ihnen jemand kurz die Hand hält und zeigt: Da ist einer. Manchmal braucht der Patient vielleicht auch nur jemanden, der ihm sagt, dass mit ihm alles in Ordnung ist.

Psychische Beschwerden sind natürlich ebenso ernstzunehmen wie körperliche. Nur wäre es meistens nicht nötig, so viele angespannte Patienten stundenlang im Wartebereich der Notaufnahme sitzen zu lassen, bis sie Entlastung finden. Viele Patienten bemerken auch, dass es ihnen besser geht, sobald sie in der Notaufnahme sitzen. Vielen geht es wieder so gut, dass es ihnen irgendwie peinlich ist, überhaupt gekommen zu sein. Die Aufregung hat nachgelassen und mit ihr sind die vielfältigen Beschwerden zurückgegangen. Die meisten harren jedoch aus, weil es ihnen peinlich wäre, wieder zu gehen, oder weil irgend jemand darauf besteht, dass doch noch ein Arzt nachschaut.

Ich glaube, dass ein Psychotherapeut im Warteraum einige Patienten allein durch ein Gespräch so entlasten könnte, dass sie wieder nach Hause gehen könnten, ohne einen Arzt zu sehen – ein Kontrollbesuch am nächsten Morgen wäre wahrscheinlich ausreichend (Das Rechtliche einmal außen vorgelassen.).

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 6.8.2012
Aktualisiert am 18.1.2021

One thought on “Psychosomatische Betreuung in der Notaufnahme könnte Krankenhäuser entlasten

  1. Jay sagt:

    Ich bin vor Jahren mit einer sehr ähnlichen Symptomatik in die Notaufnahme des örtlichen Krankenhauses gekommen.
    Sommer 2004, ein Sonntag, später Abend, ich bin mitten im Streitgespräch mit meiner damaligen Verlobten.
    Es geht um Themen, die die gesamte Beziehung in Frage stellen.
    Meine Verlobte, mit Borderline-Symptomatik, ist extrem besitzergreifend. Will mich verschlingen, ersticken und mit mir verschmelzen.
    Damals habe ich noch geraucht.
    Ich ziehe während des Streits an meiner Zigarette, auf einmal merke ich, dass sich mein Körpergefühl verändert.
    Meine Zunge schwillt an, es kribbelt ganz merkwürdig – ich merke, es stimmt hier irgendetwas nicht.
    Ich werde panisch und bitte meine Verlobte, den Notruf zu wählen.
    Sie verweigert mir dies, da sie „so eine Situation“ jetzt nicht will, weil sie morgen arbeiten müsse und es vor den Nachbarn auch nicht gut aussähe.
    Fassungslos nehme ich mein Handy und rufe meinen Vater an, welcher mich abholt und ins Krankenhaus bringt.
    Dort treffe ich nach langem Warten auf einen Arzt, der mich kurz untersucht und dann zu mir sagt, ich solle zwanzig Sekunden die Luft anhalten, da ich hyperventiliere.
    Ich folge seinen Anweisungen, das Gefühl hört sofort auf.
    Das Hyperventilieren war vorbei, doch leider war dieses Erlebnis der Startschuss für eine schwerwiegende, generalisierte Angststörung, welche mich noch in der selben Nacht überrollte und mich mich lange beschäftigen sollte.
    Die Verlobung hielt noch drei Monate.

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