
„Join-up“ ist ein vom „Pferdeflüsterer“ Monty Roberts geprägter Begriff. Das „Join-up“ dient dazu, das Vertrauen des Pferdes für sich zu gewinnen. Es ist ein geschützter und auch umstrittener Begriff in Bezug auf die Pferde-Erziehung. Mir selbst fällt der Begriff jedoch immer wieder ein, wenn ich einem neuen Patienten gegenübersitze. Irgendwann gibt es da zum ersten Mal den Moment der Begegnung (auch Now Moment) genannt. Man blickt sich in die Augen oder man hört einander zu und auf einmal ist da ein kurzer Moment, in dem beide verstanden haben: Jetzt ist eine Begegnung zustande gekommen.
Dieser Moment wirkt oft wie ein Eisbrecher. Oft kommt mir auch das Bild, dass beide ein Band aufnehmen – der Psychotherapeut hält das eine Ende und der Patient hat das andere Ende aufgenommen. Beide spüren: Jetzt ist so etwas wie Vertrauen entstanden.
In dem Moment wurde ein „Arbeitsbündnis“ aufgenommen. Der Patient denkt: „Dem Therapeuten kann ich vielleicht vertrauen“ und der Psychotherapeut denkt: „Mit diesem Menschen möchte ich arbeiten.“
Es lässt sich nicht planen
Diese Art der Beziehungsaufnahme gelingt meines Erachtens nicht, wenn ich als Therapeut einen Fragebogen durchgehe oder nach mehreren konkreten Dingen frage und den Patienten stoppe, sobale ich die Antwort habe.
Das emotionale Band entsteht oft in einem Moment des aufmerksamen, zeitlosen Zuhörens, des Schweigens und des tiefen Verstehens. Es findet oft an Stellen statt, an denen der Therapeut an seinen eigenen Schmerz erinnert wird. Der Patient erzählt vielleicht von etwas Schmerzhaftem und der Therapeut erinnert sich an eine Situation, die er früher erlebt hat und die in ihm ähnliche Gefühle ausgelöst hatte.
Dieses „Join-up“ in der Psyhotherapie ist vielleicht etwas, was im Laufe der Berufsjahre immer leichter zustande kommt. Je älter wir werden, desto mehr Schmerzhaftes und Beglückendes haben wir erlebt. Wir haben vielleicht immer weniger Angst vor dem Leiden.
Die Akzeptanz des Leidens ist die Grundlage für das Aufnehmen des Vertrauensbandes.
Daher können sich Psychotherapeuten auch auf das Altern freuen: Wenn sie offen sind, wenn sie selbst mit eigenem Leiden vertraut sind und viel Selbsterfahrung machen, dann gelingt das „Join-up“ immer leichter. Es ist für viele sogar eine Freude, bei einem neuen Patienten auf diesen erfüllenden Moment zu warten. Und fehlt dieser Moment, so ist das für den Psychotherapeuten oft auch ein Zeichen, das ihn dazu bewegt, sich gegen diesen Patienten zu entscheiden.
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Lesetipp:
Diana Cant:
Joined-up Psychotherapy
The place of individual psychotherapy in residential provision for children.
https://www.johnwhitwell.co.uk/child-care-general-archive/joined-up-psychotherapy/ und
https://www.semanticscholar.org/paper/’Joined-up-psychotherapy‘...
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