
„Immer, wenn ich eine Panikattacke habe, habe ich irgendwie das Gefühl, dass jemand in mich eindringt. Ich glaube in dem Moment, ich fühle mich so unfassbar schlecht, weil meine Mutter mir in eben diesem Moment Böses wünscht. Ich schäme mich, das zu sagen, weil es so psychotisch klingt. Obwohl ich meinen Verstand einsetze, bleibt diese Angst bestehen“, erzählt eine Patientin. „Das Schlimmste finde ich: Selbst, wenn ich bei meinem Therapeuten bin, habe ich das Gefühl, dass meine Mutter über die Distanz in meine Seele eindringen kann. Ich stelle mir dann vor, wie mein Therapeut hilflos neben mir steht und nichts tun kann – dass ich vor seinen Augen von der bösen Macht meiner Mutter ergriffen werde.“
Das Problem bei Ängsten wie diesen ist, dass kaum jemand darüber spricht. Die Betroffenen fühlen sich geradezu durchlässig. Das Problem bei schweren psychischen Störungen oder Psychosen ist mitunter das Gefühl der „Machtergreifung“ – also dass jemand (die Mutter/der Vater/der Teufel) die Macht über das eigene Wesen übernimmt.
Gegen dieses Gefühl der Durchlässigkeit kann es helfen, sich wieder des eigenen Körpers bewusst zu werden. Es kann dabei sehr gut tun, sich auf den Boden zu legen.
Wenn die Betroffenen sich z.B. bewegen oder sich selbst Schmerzen zufügen, werden sie sich wieder ihres Körpers bewusst. Sie fühlen sich dann oft nicht mehr durchlässig, sondern erhalten die Vorstellung, dass sie wie ein Gefäß sind. Und was in einem Gefäß ist, das kann bearbeitet werden.
Erklärungen finden und verstehen
„Mir hilft diese Vorstellung gar nicht. Die Ergebnisse der Quantenphysik bestätigen mich ja in meiner Angst! Ich bin durchlässig! Teilchen können einfach durch mich durch“, sagt ein Patient. Hier liegt oft eine „falsche“ Vorstellung von Quantenphysik vor. Wer solche Ängste hat, dem sei das Video „Schrödingers Katze“ von Harald Lesch (Youtube) empfohlen. Nur weil es die Quantenphysik gibt, heißt es nicht, dass die Physik ungültig geworden ist.
Auch das Video „Sternstunde“ mit Frida und Bodo Mann über „Quantenphysik“ (Youtube, 3SAT, 2018) ist hilfreich. Frida Mann ist die Tochter des Physiknobelpreisträgers Werner Heisenberg und erklärt, warum der feste Tisch weiterhin ein fester Tisch ist.
„Mit Sicherheit“: Wahnhaftes Erleben vermittelt ein Gefühl von „Sicherheit“
„Das ängstliche Gefühl geht bei mir nicht weg – egal, was man mir erklärt. Ich bin mir ganz sicher, dass ich es richtig wahrnehme“, sagt eine Patientin. Gut, es könnte natürlich sein, dass sie eine Realität verspürt, die noch nicht erforscht ist. Es könnte aber auch sein, dass sie das Gefühl hat, von der Mutter durchdrungen zu werden, weil die Mutter als sogenanntes „malignes Introjekt“ schon „in ihr“ ist – als eine behäbige, hartnäckige Vorstellung, die sie quält.
Wer eine gewaltsame Mutter hatte oder wer z.B. die Vojta-Therapie als Baby erlebte, der erlebte tatsächlich immer wieder, wie die Mutter auf merkwürdige Weise in den eigenen Körper eindrang. Drücken, Quetschen und Schreien-nicht-beachten – das führten viele Mütter in großer Not durch. Und der kindliche Körper bzw. die kindliche Psyche nahm das wie ein tatsächliches Eindringen wahr. Die Grenzen wurden so übertreten, dass es schien, als würde es gar keine Grenzen geben.
Gefühle aus der Babyzeit überdauern mitunter das gesamte Leben.
Wenn solche Zusammenhänge in einer Psychoanalyse neu durchlebt werden können, kann manchmal eine heilsame Entwicklung spürbar werden: Aus „Ich bin durchlässig“ wird: „Ich bin ein Gefäß.“ In Gefäße kann man etwas reintun, es kann verdaut und auch wieder ausgestoßen oder ausgeschüttet werden. Wenn die Betroffenen neue Erfahrungen sammeln, kann es sein, dass sich etwas verändert. Die alte Erfahrung kann weiterhin immer wieder gespürt werden, weil sie ja bleibt. Doch eine neue Art von Offenheit ermöglicht, dass ein Boden in die Bodenlosigkeit gezogen werden kann – zuerst vom Therapeuten und schließlich auch irgendwann von sich selbst.
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