„Ich starb im Jahr xxx“, las ich irgendwo mal von Wilfred Bion (1897-1979), als er über seine Schreckenserlebnisse im Krieg sprach. „Vielleicht lebe ich, bis ich 90 bin, … aber eine Art Tod ist jetzt schon eingetreten. Ich befinde mich in einer Wüste, in der ich vielleicht weitere 40 Jahre ohne jemanden verbringen werde.“ So zitiert die Autorin Miriam Köhler (Brigitte woman 6/2014) die anonyme Bloggerin des Blogs The Plankton.
Es gibt lange Phasen im Leben, da kämpfen und kämpfen wir, um etwas Verpasstes vielleicht doch noch zu erreichen. Wir beißen uns fest. Doch irgendwann merken wir: Das Leben ist schneller als wir.
Vielleicht denken wir: „Was unsere Eltern uns antaten, führte dazu, dass wir heute da sind, wo wir sind: in einer Sackgasse.“ Vielleicht konnten wir uns so manches nicht ermöglichen, was für andere völlig normal war. Wir sind erschöpft, wir können nicht mehr.
„Wie bin ich nur hierhin gekommen?“
Irgendwo sah ich mal einen eindrücklichen Film über jemandem, dem Schreckliches angetan worden war und der dennoch ein versöhnliches Leben führte – trotz seiner schwersten Verletzungen.
Hass sind Krämpfe der Seele
So – ohne Verbitterung – möchte man auch leben und doch ist es oft so schwierig. Immer wieder kommen Phasen unbändigen Hasses und großer Verzweiflung. Wer dann sagt: „Lass doch mal los!“, der versteht nicht, dass es nach schweren seelischen Verletzungen oft so ist wie bei schweren körperlichen Erkrankungen: Man kann einem Menschen mit einer Spastik nicht sagen, er solle mal den Muskel entspannen. Auch die Seele hat ihre Krämpfe.
Doch irgendwann lösen sich die Seelenkrämpfe – manchmal ganz heimlich. Du bist nicht der Hass – es ist Dein „Pain Body“, wie der wunderbare eckharttolle.de sagt. Dann kommt vielleicht irgendwann das Gefühl: „Ich muss nichts mehr machen. Dieses Gefühl kann zum Beispiel kommen, wenn man endlich eine/n Gleichgesinnte/n gefunden hat, der oder die genau das schreibt, was man selbst empfindet. Oder es kommt, wenn es gelingt, sich ganz dem jetzigen Moment hinzugeben.
Lebendig bleiben
Wenn wir schon gestorben sind in irgendeinem Jahr in der Vergangenheit, dann heißt das nicht, dass wir jetzt „tot tot“ sind. Es heißt, dass wir wirklich loslassen konnten – loslassen von dem, an dem wir so verkrampft festhielten und das wir einfach haben wollten. Weil wir dachten, es sei die Rettung. Und vielleicht wäre es das auch gewesen.
Wenn wir schon gestorben sind, dann können wir uns wirklich endlich entspannt treiben lassen. Wir können gucken. Wir haben nichts mehr zu verlieren.
Und ganz manchmal machen wir uns vor, schon gestorben zu sein, weil wir noch nicht wissen können, wie die Dinge ausgehen. Wir haben so eine Angst vor dem Scheitern oder dem schlechten Ende, dass wir innerlich das Scheitern schon vorwegnehmen. Sich in ein „Ich kann es noch nicht wissen“ zu begeben, ist oft die angenehmere Lösung.
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