
„Es fällt aus! Hurra!“, rufen wir. Wir freuen uns und sind erleichtert, wenn etwas aus-fällt. Wir spüren gerade selbst den „Fall“ und das „Aus“, das „Ende“ des Geschehens. Es hat etwas Erleichterndes, wenn etwas „ausfällt“. Die schwere Last der Pflicht fällt von unseren Schultern – und wir können noch nicht einmal etwas dafür! Die Schuldgefühle fallen gleich mit ab. Aber wie ist es in der Psychoanalyse, wenn ein Patient plötzlich die Stunde absagt?
„Vielleicht ist ja in der letzten Stunde etwas gewesen, das der Patient nicht verkraftet hat“, denkt der Analytiker möglicherweise. Es taucht vielleicht ein quälendes Schuldgefühl in ihm auf. Oder er ist mit seiner inneren Verwunderung beschäftigt. Es kann auch sein, dass der „Ausfall“ nach der gestrigen Stunde schon zu erwarten war.
Der Patient möchte mit seinem Wegbleiben etwas zeigen. Er möchte, dass uns etwas auf-fällt.
Und hier fängt schon die Arbeit des Analytikers an oder anders gesagt: Der Analytiker setzt seine innere Arbeit fort, obwohl der Patient nicht kommt.
Der Analytiker bleibt
Der Patient mag wegbleiben, aber der Analytiker stellt sich selbst weiter zur Verfügung. Er denkt über den Patienten nach und sollte dieser sich nach 30 Minuten doch noch entscheiden, zu kommen und seinen Platz einzunehmen, öffnet der Psychoanalytiker ihm selbstverständlich die Tür, weil es eben die Stunde des Patienten ist, die er zusammen mit dem Analytiker fest-gelegt hat.
Der „Ausfall“ in der Psychoanalyse hat also wenig mit dem zu tun, was wir uns allgemein unter Ausfall vorstellen.
Vielleicht spürt der Analytiker schon eine Art Erleichterung, weil es vielleicht mit dem Patienten gerade eine unangenehme Phase gibt und er eine Stunde Ausruhen ohne Angriffe gut gebrauchen könnte. Doch wenn er seine Arbeit ernst nimmt, dann führt er die innere Arbeit mit dem Patienten fort. Er geht vielleicht in einen inneren Dialog mit ihm und schreibt die Gedanken nieder, die ihm kommen, während er über den abwesenden Patienten nachdenkt.
Die Namensfindung ist schwierig
Ein Analytiker, der so arbeitet, kann das Ausfallhonorar nur schwer so nennen, denn die Analyse geht weiter. Manche nutzen dann den Begriff „Bereitstellungshonorar“, doch das klingt anstrengend. Man möchte etwas „bereit-stellen“, man möchte sozusagen „den Rahmen halten“ und es wirkt wie das Gegenteil von der Erleichterung, die wir beim „Ausfall“ spüren. Wir stellen weiterhin etwas bereit, das heißt: Wir nehmen weiterhin unsere innere Haltung ein.
Die körperlichen Empfindungen beim Hören der Worte „Ausfallhonorar“ oder „Bereitstellungshonorar“ sind nicht zu vernachlässigen.
Wer sich weder besonders anstrengen noch besonders entspannen will, sondern seine „normale“ psychoanalytische Arbeit fortsetzt, der wird das Honorar weiterhin „Honorar“ nennen, denn er bleibt Analytiker auch in der Stunde, die entfällt oder besser gesagt: die durch die körperliche Abwesenheit des Patienten geprägt ist.
Im Geiste geht die Arbeit weiter und die innere Verbindung zum Patienten bleibt bestehen. Nur, wenn auch wir als Analytiker die Stunde „innerlich ausfallen“ lassen, ist der Begriff „Ausfallhonorar“ berechtigt.
Bei der Wahl der Worte für das „Wie-auch-immer-Honorar“ geht also um die Frage, wie verpflichtet sich der Analytiker fühlt und wie er bereit ist, zu arbeiten. Wer innerlich verbindlich bleibt, kann ohne „schlechtes Gewissen“ ein „Honorar“ abrechnen, auch, wenn der Patient nicht da ist. Welche Gedanken und Gefühle der Patient dabei hat und wie es mit Patienten aus schwachen sozialen Schichten mit niedrigem Einkommen aussieht, das ist nochmal eine ganz andere Frage …
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