
Wenn wir Probleme haben, dann kauen wir innerlich darauf herum. Wir wollen Lösungen finden – und haben das Gefühl, wenn wir aufhören, zu denken, dann ginge es nicht weiter und es würde etwas Schlimmes passieren. Wenn wir uns innerlich abrackern, kommt es uns vor, als seien wir äußerlich durch wirkliches Tun aktiv. Hauptsache in Bewegung bleiben, denken wir – sonst stürzt alles über uns zusammen.
Dieses „Zu-viel-Denken“ hält viele vom Einschlafen ab. Viele, die versuchen, zu meditieren, können dies an problemvollen Tagen nicht tun: „Dazu habe ich jetzt nicht die Ruhe“, heißt es.
Mit dem inneren Beschäftigtsein wollen wir unsere Angst bändigen. Es hat viel mit unserer Vergangenheit zu tun. Unsere Erfahrung war vielleicht: „Ohne mich geht es nicht.“ Vielleicht mussten wir die Familie retten oder die Eltern managen. Jedenfalls durften wir nicht einfach die Hände in den Schoß legen. Vielleicht mussten wir uns qualvollen Therapien unterziehen, die ja ohne uns tatsächlich nicht hätten stattfinden können.
Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse
„Wenn Druck und Kontrolle nicht helfen, helfen eben mehr Druck und Kontrolle“, denken wir. Wenn wir Chef sind und verlassen die Firma, dann geht’s da drunter und drüber, so die Vorstellung.
„Wenn das ‚Ich‘ aus dem Haus geht, macht der Körper, was er will und auch die anderen spielen verrückt“, befürchten wir.
In Wirklichkeit ist es aber oft genau umekehrt: Wenn der gestresste Chef geht, dann atmen die Mitarbeiter auf. Endlich kann in Ruhe erledigt werden, was zu erledigen ist.
Ruhe vor uns selbst
Wenn wir öfter mal die Erfahrung gemacht haben, dass „Es“ sich gerade dann löst, wenn wir einmal wegschauen, wenn wir einmal still und ohne Absicht sind, dann können wir diese Erfahrung bewusst auf unsere Ruhesituation übertragen: Wir dürfen nachts einschlafen, weil wir sowieso nichts tun können. Der gute Gedanke wird uns morgen vielleicht unter der Dusche kommen, aber nur selten nachts beim Grübeln. Manchmal vielleicht schon, aber eher selten.
Und so ist es auch bei der Meditation: Wir müssen nicht jetzt den wichtigen Anruf tätigen, nicht jetzt nochmal die E-Mails oder das Konto prüfen. Wir würden dadurch nicht erleichtert sein. Aber wenn wir es schaffen, uns hinzusetzen und uns auf den Atem zu konzentrieren, dann hat die Welt da draußen endlich Ruhe, sich zu sortieren – ohne uns.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 16.1.2019
Aktualisiert am 10.4.2020
OandOm meint
Verzeihen Sie den zweiten Kommentar:
Ich kam hierüber zum Nachdenken/fühlen darüber: https://www.philosophie.ch/blogartikel/grosse-fragen/kuriert-die-psychoanalyse-eigentlich-die-seele-oder-den-geist
Wenn Sie von der Angst schreiben, den Geist zurückzuziehen, dann spricht das meines Erachtens eher dafür, dass man die Angst (wenn man etwas kategorisierend denken will) der Seele „zurodnet“, während der Geist, der Geist ist… :)
OandOm meint
Darf ich Sie fragen, ob und (wenn ja) inwieweit Psychoanalytiker zwischen Geist und Seele unterscheiden?
Könnte man sagen Meditation (oder vielleicht auch Konzentrationsübungen) dienen dem Geist, während die freie Assozation im Grunde die Haltung einer „geöffneten“ Seele ist?
Dunja Voos meint
Vielen Dank, das freut mich sehr!
OandOm meint
Das ist wirklich sehr schön geschrieben!
Nicoletta22 meint
Ich fühle mich angesprochen, ich kann ganz schlecht abschalten. Nur ist die Umsetzung (also nicht mehr soviel kontrollieren wollen) arg schwierig. Sprich ein sehr tief verankertes Muster.