
Ob man als Feuerwehrmann an einen überwältigenden Einsatzort kommt, ob man Gewalt erlebt hat, beruflich untergeht oder sich privat eingeklemmt sieht: Es gibt für die Psyche ein „Zuviel“. Es ist, als ob Meereswellen über einem zusammenschlagen und man keine Luft mehr bekommt. Wenn wir „zu viel“ erfahren, dann übergeben wir uns. Wir reagieren körperlich – mit Herzrasen, Übelkeit, Bluthochdruck, Atemnot, Zittern und Durchfall. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Wir laufen über
Mit Tränen zeigen wir, wenn es uns „zu viel“ wird oder wir schreien oder fallen in Ohnmacht. Wenn wir die Augen schließen, jagt ein Bild das andere. Es sind psychotische Bilder und wir können nicht zur Ruhe kommen. Manchmal ist uns auch die Abwesenheit geliebter Menschen zu viel. Ein „Zuviel“ für die Psyche ist wie eine schwere Krankheit.
Manchmal können wir einfach nur sitzen, abwarten und beten.
Unsere Seele verdaut ein Zuviel sehr, sehr langsam. Obwohl wir eigentlich Schlaf bräuchten, können wir nicht schlafen. Manchmal begegnet uns eine passende Musik, die uns in dem Moment unglaublich gut tut oder wir riechen einen Duft, der uns augenblicklich erleichtern kann.
Erzählen hilft oft nicht
Oft versuchen wir, irgendwie zu verdauen, indem wir immer und immer wieder von unserer Not erzählen. Aber nachdem wir die dritte Freundin angerufen haben, merken wir, dass das nichts nützt. Wir können trotzdem nicht schlafen. Es wird vielleicht sogar schlimmer, wenn wir immer wieder davon erzählen. Manche psychischen Eindrücke können wir einfach nur selbst verdauen. Vielleicht im Beisein anderer, aber Reden hilft manchmal nicht – es sei denn, der Zuhörer ist geübt im Aufnehmen traumatischer Erfahrungen. Manchmal ist es besser, zu schweigen und zu wissen, dass ein anderer den Schmerz einfach mit aushält.
Wir sind versunken in unsere Situation. Erholung zeigt sich, wenn wir neue Ufer sehen können.
Erholung kommt
Wenn wir spüren: Es gibt andere (Gefühls-)Welten, auch für uns, dann kommt die Erholung. Wenn sich wieder Hoffnung zeigt und sich neue Möglichkeiten und Auswege auftun, dann merken wir, dass es uns besser geht. Das akute „Zuviel“ fühlt sich manchmal an, als wollte es uns umbringen. Die gefühlte Ausweglosigkeit ist enorm. Sie ist wie ein hohes Fieber, das viel länger anhält, als wir jemals gedacht hätten. Wenn wir es geschafft haben, mit dem „Zuviel“ umzugehen, fühlen wir uns nicht unbedingt stärker. Wir sind vielleicht weiser und mitfühlender geworden. Aber wir wissen: Es kann immer wieder Situationen geben, die uns überfordern. Man kann sie oft nur durch Sitzen, Durchstehen, Abwarten, Tönen, Singen, Beten oder Wandern bewältigen.
Wichtiger Link:
Adam Phillips:
On Being Too Much for Ourselves
BBC Radio4 – The Essay – Part 4
„It is impossible to overreact.“ Adam Phillips
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 8.2.2017
Aktualisiert am 17.1.2020
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