Umgangssprachlich werden „Charakter“ und „Persönlichkeit“ oft gleichgesetzt. Unter Charakter verstehen wir jedoch die mehr oder weniger unveränderlichen Eigenschaften eines Menschen. Der Begriff „Charakter“ leitet sich aus dem Alt-Griechischen ab und hat dort auch die Bedeutung von „eingeritzter Buchstabe“. Der Charakter zeigt sich direkt und wird auch manchmal mit „Temperament“ gleichgesetzt. Wenn ein Baby zur Welt kommt, können wir seinen Charakter schon am Gesichtsausdruck, am Schreien und an seiner Bewegungsfreude erkennen. Als einen „fiesen Charakter“ bezeichnen wir jemanden, der „keine Moral“ hat. Ein „guter Charakter“ ist umgangssprachlich jemand, der sein „Herz auf dem rechten Fleck“ hat.
Komplizierter drückt es der Psychoanalytiker Otto Kernberg aus:
Definition von „Charakter“ nach Otto F. Kernberg:
„Aus der Perspektive der Psychoanalyse sollte meiner Meinung nach der Begriff Charakter auf die Verhaltensmanifestationen der Ich-Identität angewandt werden: Die subjektiven Aspekte der Ich-Identität – die Integration von Selbstkonzept und dem Konzept von signifikanten Bezugspersonen – stellen die intrapsychischen Strukturen dar, die die dynamische Organisation des Charakters determinieren. Gleichfalls zum Charakter gehören die Verhaltensaspekte dessen, was in der psychoanalytischen Terminologie ‚Ich-Funktionen‘ und ‚Ich-Strukturen‘ genannt wird.“ (Otto Kernberg: Narzißmus, Aggression und Selbstzerstörung. Klett-Cotta 2009: S. 22)
Das heißt auf deutsch …
Wie sich jemand verhält hängt eng damit zusammen, wie sein „Ich“ beschaffen ist. Jeder Mensch hat ein „Selbstkonzept“ – das, was wir von uns denken und halten, ist unter anderem das Ergebnis dessen, was unser Vater und unsere Mutter von uns dachten. Diese „signifikanten Bezugspersonen“ haben also einen starken Einfluss darauf, wie sich unser Charakter entwickelt. Wenn wir z.B. Eltern hatten, die uns immer angriffen, dann gehen wir davon aus, dass uns auch andere Menschen leicht angreifen. Wir entwickeln dann eine Haltung, die häufig auf „Abwehr“ programmiert ist.
Vom „Charakter“ her sind wir dann leicht kratzbürstig, bissig und misstrauisch. Wir reagieren dann oft in ähnlicher Weise, auch, wenn wir verschiedenen Menschen begegnen, weil wir innerlich quasi immer nach ähnlichen Mustern ablaufen – was wir denken und befürchten, führt zu einer speziellen Reaktion auf die Außenwelt. Es findet also psychisch so eine Art „innere Bewegung“ statt und wie wir uns verhalten, ist das Ergebnis dieser inneren Bewegungen, also das Ergebnis dessen, was wir uns vorher ausmalten, was wir dachten und erwarteten.
Andererseits ist der Charakter auch etwas Angeborenes. Er ist das „Wesen“ des Menschen – schon lange, bevor wir ein „Ich“, ein „Selbstkonzept“ oder „Repräsentanzen von nahen Bezugspersonen“ haben.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 22.11.2013
Aktualisiert am 24.10.2020
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