
Wenn ich weiß, dass ich etwas bewirken kann, halte ich mich für „selbstwirksam“. Das ist ein gutes Gefühl. Schon kleine Babys jauchzen vor Freude, wenn sie an der Kordel eines Hampelmännchen ziehen und merken, dass sich das Männchen bewegt. Das Gefühl, nicht wirksam zu sein, führt zu Stress. Manchmal fühlen wir uns nahezu dauerhaft selbstunwirksam.
Es scheint manchmal über lange Zeit, als würde uns nichts Gutes gelingen. Das Einzige, was vielleicht noch geht, ist Zerstörung. Den Turm umzuwerfen, etwas kaputtzumachen, das ist leicht – vielleicht haben Kinder deswegen so Freude daran, Dinge zu zerstören: Hier ist die Selbstwirksamkeit eindeutig. Doch Selbstwirksamkeit im guten Sinne lässt sich erlernen – zum Beispiel durch Yoga, gute Bücher, Reisen, Sport, Musik, Psychotherapie oder Psychoanalyse.
Für wie selbstwirksam halten wir uns?
Unter „Selbstwirksamkeitserwartung“ versteht man das Maß, in dem man sich selbst für wirksam hält. Menschen mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung gehen davon aus, dass sie die Dinge gut beeinflussen können, dass sie etwas bewerkstelligen können. Die Selbstwirksamkeitserwartung ist nicht nur von mir selbst, sondern auch von den Umständen abhängig. Wenn zum Beispiel mein Computer kaputt geht, habe ich eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung an mich selbst.
Verzweifeln können wir bei vielen Themen, die uns manchmal unkontrollierbar vorkommen: Geld, Politik, Gesundheit, Beziehung, Liebe und Körpergewicht.
Das Gefühl von Selbstwirksamkeit bringt Lebensfreude, reduziert Angst und Schmerzen, erhöht Hoffnung und Durchhaltevermögen. Doch wer sich mit Selbstwirksamkeit auseinandersetzt, wird auch mit dem Thema „Ohnmacht“ konfrontiert.
Selbstwirksamkeit hängt von vielen Faktoren ab
Wenn ich jemanden um etwas bitte, dann habe ich vielleicht die Erwartung, dass der andere darauf eingeht oder ich erwarte von vornherein ein „Nein“. Ob der andere tut, was ich mir wünsche, hängt zum einen von mir ab, also zum Beispiel davon, ob ich den anderen freundlich oder unfreundlich frage, ob ich ihn bedränge oder ihm Freiraum lasse, ob meine Bitte realistisch ist oder unrealistisch. Andererseits hängt es vom anderen ab, ob er gewillt und fähig ist, auf meine Bitte einzugehen.
Halte ich mich für wenig wirksam, gehe ich im Alltag eher davon aus, dass andere generell nicht auf meine Bitten eingehen, was bei mir selbst zu einer „aggressiven Grundhaltung“ führen kann. Halte ich mich jedoch für wirksam, glaube ich, dass andere Menschen meine Bitten ernst nehmen und darauf reagieren.
Der Begriff der „Selbstwirksamkeit“ wurde vor allem von dem kanadischen Psychologen Albert Bandura (geb. 1925) geprägt. (Siehe auch: Learning and Adolescent Mind: Albert Bandura)
Wenn Selbstwirksamkeitsgefühle fehlen, kann man es mit Hoffnung probieren.
Will ich das überhaupt?
Wichtig bei der Frage nach der Selbstwirksamkeit ist auch die Frage: „Will ich das überhaupt, was ich da vorhabe?“ Manchmal tun wir Dinge, um anderen zu gefallen. Oder wir tun Dinge aus Angst oder Ärger oder aus purem Sicherheitsdenken und Verstandesgründen, ohne dass unser Herz wirklich mitgeht. Unseren Widerwillen haben wir vielleicht so sehr verdrängt, dass er nicht mehr spürbar ist. Doch in den Misserfolgen kommt er zum Vorschein.
Geduld
Manchmal fühlen wir uns über viele Jahre hinweg größtenteils selbstunwirksam. Doch es gibt Wege heraus. Für mich zählen Psychoanalyse und auch das traditionelle Yoga dazu – mit seinen Philosophien, Liedern und Atemübungen.
„Was ist die zentrale Idee des Yogasutra? Nicht im Besiegen von Feinden oder in der aktiven Gestaltung dessen, was uns umgibt, liegt eine tiefe Lösung des Problems, wie das menschliche Leiden verringert werden kann, sondern in dem, was wir mit unserem Geist tun.“ (R. Sriram, Buchcover „Das Yogasutra“, Theseus-Verlag)
Durch Psychoanalyse und Yoga kann man das Gefühl erhalten, wieder mehr Einfluss auf den eigenen Körper, aber auch auf die Beziehungen zu erlangen. So wird es leichter, Gutes zu bewirken und Gutes zu halten. Auch, wenn die Ziele vielleicht noch Jahre entfernt sind, so erscheint das, was man bereits jetzt tut, zunehmend als sinnvoll und zielführend. Auch wenn Zweifel, Unvorhergesehenes und Krankheit daherkommen – der Blick kann sich weiten und Durststrecken lassen sich leichter überstehen.
Doch um diese Entwicklung an sich langsam festzustellen, ist immens viel Geduld vonnöten und oft ist auch eine große Portion Verzweiflung dabei. Und immer wieder sind die Anfänge oft das Schwierigste – sind sie geschafft, kommt neue Kraft.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 15.1.2011
Aktualisiert am 27.3.2020
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