
Schwer traumatisierte Menschen, sexuell missbrauchte Menschen, haben oft nur einen Wunsch: dem anderen näher zu sein. Doch gleichzeitig fürchten sie nichts mehr als das: Sie haben Nähe erlebt als ständige Grenzüberschreitung. Und Grenzüberschreitungen wiederum halten den anderen reaktiv auf Abstand. „Ich weiß noch, wie ich da stand und mich plötzlich in den Mülleimer übergeben habe“, sagt eine Betroffene lachend. Sie wollte sich damit „offen“ zeigen, sie wollte etwas „Intimes“ erzählen und damit Nähe schaffen. In Wirklichkeit aber stieß sie die anderen damit innerlich weg.
Die anderen ekelten sich und fragten sich: „Was soll das?“ Das kennen sicher viele Menschen. Auch sexuelle Themen kommen den Betroffenen häufig in den Sinn und sie sprechen Sexuelles aus, um zu zeigen, wie wenig sie sich schämen oder um zu zeigen, wie offen sie sind. Doch das Gegenüber ist irritiert und weicht zurück.
Für die Betroffenen ist es oft ein langer Lernprozess, diese Mechanismen zu erkennen und zu verstehen. Sie wurden häufig selbst mit solchen Themen von den Eltern belästigt. Sie kannten oft selbst nur zwei Pole: entweder abgestoßen oder überwältigt zu werden.
Es ist wie mit dem Autofahren: Vollbremsungen und Rasen sind einfach. Schwierig ist es jedoch, ein feines Gespür für das Auto zu entwickeln. Und so ist es mit der Kommunikation auch: Wenn die Betroffenen beginnen, die „ekligen“ Erzählungen zurückzuhalten und darüber zu sprechen, was in ihnen daneben noch vorgeht, was sie bewegt und interessiert, dann können sie langsam mehr Nähe herstellen.
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