
„Erlauben wir dem jetzigen Moment, zu sein.“ – „Erlauben wir uns, da zu sein.“ – „Es ist, wie es ist“, hören wir. „Das heißt aber doch nicht, dass es gut ist!“, wagt einer zu sagen. Es gibt Sätze, die tun häufig den Menschen gut, die ein „Mindestmaß“ an psychischer Stabilität haben, die eine behütete Kindheit oder zumindest eine gute Mutter-Kind-Beziehung hatten. Viele Menschen jedoch, die in der Baby- und Kleinkindzeit Gewalt oder Vernachlässigung ausgesetzt waren, bekommen bei diesen Sätzen ein schwer mulmiges Gefühl. Ihr Körper „erinnert“ sich möglicherweise an furchtbaren Qualen von damals – und die Seele auch.
Wenn damals, als wir der Gewalt ausgesetzt waren, jemand gesagt hätte: „Heiße ‚das JETZT‘ willkommen“ oder „Es ist wie es ist“, dann wäre die Hölle perfekt gewesen. Sätze, die vielen „Gesunden“ gut tun und helfen, sind für viele Frühtraumatisierte oft ganz besonders beunruhigend und schwer erträglich. Viele Betroffene wünschen sich, dass diese Zusammenhänge besser verstanden werden.
„Na dann ist es so.“ Es ist leichter, diesen Satz zu sagen, wenn man etwas schon akzeptiert hat. Steckt man noch in Wallung und Entscheidung, ist er eher kontraproduktiv.
Dunja Voos meint
Liebe Fischmondfahrt ;-),
eine schwierige Frage. Ich denke, das „Höllengefühl“ von damals zeigt sich immer wieder im Jetzt, ohne dass der Betroffene es steuern kann. Es wird ihm auf einmal schlecht, er bekommt auf einmal Angstzustände und z.B. Durchfall. Keine verstandesmäßigen Erklärungen helfen – er fühlt sich wie früher. Wie sich das „auflösen“ lässt, dazu gibt es vielleicht viele Wege, vielleicht aber auch gar keine Wege. „Es“ kann immer wieder auftauchen. Meiner Erfahrung nach sind solche Sätze (z.B. „Es ist wie es ist“) für schwer traumatisierte Patienten sehr schwer zu ertragen, ähnlich wie ihnen oft auch Entspannungsverfahren oft zunächst nicht möglich sind. Es könnte eine Frage der Zeit sein …
Fischmondfahrt meint
Hm, dass es damals für die Kinder die Hölle war = ja. Aber was hat das aktuelle Jetzt mit dem Erleben der frühen Hölle zu tun? (Ist die Höllenerfahrung so dominant, dass sie das Jetzt prägt oder verstellt?)
Und sind diese „Meditationsübungen“ nicht für alle als Versuch gedacht, aus vergangenen und auch aktuellen Erlebenskonzepten herauszutreten und sich einer Wirklichkeitsdimension zu öffnen, die weiter ist als das unmittelbare (und vielleicht durch die Vergangenheit aufgeladene) Empfinden und Denken? Und könnte das für Menschen mit frühen Störungserfahrungen nicht besonders hilfreich und tröstend sein solche transzendierenden Erfahrungen zu machen?
Ich habe auch frühe Höllenerfahrungen erlebt und glaubte immer, dass genau diese mir ermöglichten, Wirklichkeit zu transzendieren. Auch gerade das Erleben eines reinen Seins habe ich immer als erlösend erlebt.