
Die Frage, was einen guten Psychoanalytiker ausmache, stellte mir eine Kollegin. Eine Verhaltenstherapeutin. Und ich wusste tatsächlich nicht, was ich antworten sollte. (Das Buch von Ralph Zwiebel hierzu habe ich noch nicht gelesen.) Die Frage ähnelt der Frage: Was macht einen guten Zahnarzt aus? Und was einen guten Partner? „Mein Zahnarzt schweigt während der gesamten Behandlung und ich finde das wunderbar“, sagt Patient Nr. 1. „Nie im Leben könnte ich dahin gehen, ich brauche immer einen, der ständig beruhigend auf mich einredet“, sagt Patient Nr. 2. Was jedoch beide Patienten brauchen, ist ein guter Handwerker mit Geschicklichkeit, Einfühlungsvermögen und Gefühl.
Persönliche Antworten
Ich kann die Frage, was einen guten Psychoanalytiker ausmacht, eigentlich nur für mich selbst beantworten – aber ob das alles für einen anderen Analysanden auch gut wäre, kann ich nicht sagen. Daher sucht man sich seinen Psychoanalytiker ja meistens auch nach „Sympathie“ oder „Bauchgefühl“ aus. Für mich selbst ist es auch noch wichtig, dass ich weiß, dass er gut ausgebildet ist und ausreichen Selbsterfahrungsstunden hinter sich hat. Ich persönlich habe da die Sicherheit bei AnalytikerInnen der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (www.dpv-psa.de) und Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (www.dpg-psa.de).
Aber das ist meine „Prägung“, weil ich eben meine Erfahrungen in der DPV gesammelt habe und manchmal bemerke, dass Analytiker aus anderen Gesellschaften oder Analytiker mit „nur“ staatlicher Prüfung in vielerlei Hinsicht „lockerer“ sind. Ich komme gut zurecht mit dem „Stringenten“, ja ich brauche es sogar, während andere eher mit dem „Lockeren“ zurechtkommen.
Auch eine Frage der Frequenz
Psychoanalytiker diskutieren oft, welche Frequenz denn dem Patienten gut tue. Ich persönlich finde, dass Psychoanalyse vier- oder fünfmal pro Woche auf der Couch stattfinden sollte. Mir ist es wichtig, dass der Analytiker das genauso sieht und die Stunden gewissenhaft einhält – dass er auf seine Gesundheit achtet, damit so wenig Stunden wie möglich ausfallen. Dass er pünktlich ist und selten Termine verschiebt, das ist mir wichtig. Ich kenne KollegInnen und PatientInnen, denen das „zu eng“ wäre, zu „konservativ“, zu „streng“, wie auch immer man es nennen mag.
Mir ist es wichtig, dass der Psychoanalytiker möglichst nicht von sich selbst erzählt und auch möglichst nur selten von anderen Patienten. Mir ist es wichtig, dass der Analytiker am Anfang der Stunde relativ lange schweigt, damit ich mich in Ruhe sortieren und mehrere Themen anschneiden kann, bis das Wichtige für diese Stunde sichtbarer wird. Mir tut der Wechsel gut zwischen „aktiveren“ Stunden, die eher einem Dialog gleichen und Stunden, die fast nur von Schweigen geprägt sind.
Sein lassen können
Mir ist es wichtig, dass der Analytiker auf eine gewisse Art „nicht helfen“ will, sondern dass er es aushält, wenn es mir schlecht geht oder wenn ich ihn zum Teufel wünsche. Mir ist aber auch der Trost wichtig, der nicht offensichtlich als Trost daherkommt, sondern als tief empfundenes Mitgefühl.
Ein guter Analytiker ist das, was eine gute Mutter und ein guter Vater sind: beschützend, (herzens-)gebildet, offen, flexibel, grenzenwahrend, einfühlsam, mitfühlend, interessiert, sozial gut eingebunden, nachdenklich und liebevoll.
Mir ist wichtig, dass der Analytiker sich selbst sehr gut kennt, dass er belesen ist und sich in verschiedenen Richtungen auskennt. Ich brauche es auch, dass er „gesunde Augen“ hat, also offensichtlich kein Alkoholproblem hat und nicht von Medikamenten abhängig ist.
Mir ist wichtig, dass er „ausreichend unsicher“ ist und nicht mit „absoluten Gewissheiten“ daher kommt. Gleichzeitig ist es mir wichtig, zu merken, wie sicher er ist. Dass er sich in der Übertragung „verwenden“ lassen kann – als mein Hassobjekt, mein Liebesobjekt, mein Objekt, das ich kontrollieren will. Er will dem Unangenehmen nicht entfliehen, sondern gibt ihm Raum. Dass er Grenzen auf jeden Fall einhalten kann. Ein guter Analytiker achtet auf seine Wortwahl und kann Spannung aushalten. Und er zeigt auch immer wieder, dass er nicht perfekt ist, sondern auch Zahnschmerzen haben oder ärgerlich, verständnislos und ungeduldig sein kann. Doch über all das kann man mit ihm reden.
Das ist es, was mir bisher dazu einfällt. Ich möchte meiner Kollegin für diese schlaue Frage danken – es hat mich sehr zum Nachdenken angeregt.
Nach dem Beitrag wurde ich über Twitter auf den gleichnamigen Buchtitel von Ralph Zwiebel aufmerksam gemacht:

Ralph Zwiebel: Was macht einen guten Psychoanalytiker aus? Klett-Cotta, 3. Auflage 2017
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