
Was für eine Befreiung. Wenn man merkt, dass man den, den man am meisten liebt, auch hassen darf. „Mama, ich hasse Dich!“ Diese Aussage eines kleinen Kindes kann auch ein Vertrauensbeweis sein. Dass das Kind sich traut, das zu sagen, kann bedeuten, dass es sich gewiss ist, dass die Mutter deswegen nicht wegläuft. Es ist leicht, jemanden zu hassen, den man nicht kennt und der mit seinem Autoschlüssel einen Kratzer ins Auto gemacht hat. Aber es ist oft schwer, jemanden bewusst zu hassen, der einem nahesteht.
Mit Erlaubnis zu hassen, kann auf gewisse Art Lebensfreude hervorrufen und von depressiver Stimmung befreien. Hass ist auch Vitalität. Hass enthält viel Kraft, die für Gutes genutzt werden kann. Die buddhistische Nonne Pema Chödrön ging ins Kloster, weil sie ihren Mann hasste und wurde zu einer der gefragtesten Ratgeberinnen von heute („Faith and Reason“ With Pema Chodron, Youtube).
Verdrängter Hass macht Angst
Hass in engen, liebevollen Beziehungen wird oft unterdrückt und verdrängt. Dabei gibt es viele Gründe, zu hassen: Die Abhängigkeit, der Druck, gesund und glücklich bleiben zu wollen auch für den anderen, das Gefühl, nicht ganz frei zu sein und zu viele Kompromisse eingegangen zu sein, kann dann und wann zu Hass führen. Wer es sich aber nicht erlaubt, das zu fühlen, der entwickelt vielleicht ein körperliches Symptom. „Spatz, ich habe heute Kopfschmerzen und kann nicht mitkommen zu der Veranstaltung, die Dir so wichtig ist“, sagen wir dann.
Hass ist wie Wut, nur krasser. Er ist länger aufgestaut, Er ist oft die Kippseite der Liebe. Er ist eng verbunden mit Neid, Einsamkeit und Verzweiflung. Er ist Ohnmacht. Unsere Lautsprache zeigt gut, wie wir fühlen: Wir wollen Hass ausstoßen, denken vielleicht an das englische Wort „Ass“ für „Arsch“. „Du Arschloch“, sagen wir, wenn wir zutiefst hassen.
Wenn man spürt, dass das Liebesband mitläuft, kann es einfacher sein, seinen Hass zu spüren und zu äußern. Wenn es kein Liebesband mehr gibt, hat der Hass noch eine andere Qualität. Er ist dann zerstörerischer, allumfassender, rücksichtsloser, absoluter, rachsüchtiger. Die meisten Menschen fürchten sich vor dem Hass. „#GegenHass“ steht da manchmal in den „sozialen Medien“. Doch Hass wird oft dann gefährlich und unberechenbar, wenn er verdrängt wird oder gänzlich unbewusst bleibt und es kann viel sozialer sein, seinen Hass wahrzunehmen, zuzulassen und ihn zu erforschen. Oft geht er allein dadurch zurück, dass er „verdaut“ wird.
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