Einsamkeit und Partnersuche bei Akademikerinnen

„Könnten Sie sich vorstellen, etwas offener zu werden und sich auch nach Nicht-Akademikern bei der Partnerwahl umzuschauen?“, fragt der überteuerte Coach die Chefärztin, die schon lange auf der Suche nach einem Partner ist. Die vielen Jahre des Alleinerziehens haben ihre Spuren hinterlassen. Der berufliche Druck und die Herausforderung, alleine das Geld nach Hause zu tragen, haben zu Vorhofflimmern geführt. Die Einsamkeit und das Leben ohne Berührung tragen ihr Übriges zur wackeligen Gesundheit bei. Damit soll jetzt Schluss sein, sagt die Akademikerin sich – zu jedem Neujahr aufs Neue. Wohl bei den meisten Akademikerinnen, die alleine leben, lassen sich triftige Gründe für ihre Lebensform finden. In meinem Beruf sehe ich immer wieder studierte, attraktive Frauen, die mitunter seit Jahrzehnten wider Willen Single sind. Nicht wenige leiden an den Folgen einer Kindheit mit unsicheren Bindungen und frühen Traumatisierungen.

Ein Leben ohne Berührung gehört zu den schwierigsten Lebenszuständen, die es geben kann. Manche Frauen leiden kaum darunter, andere treibt es immer wieder in tiefste Verzweiflung.

Bei vielen Betroffenen fing die Einsamkeit schon in den Kinderjahren an. Nicht wenige haben sich aus einem sogenannten bildungsfernen Hintergrund in die Welt der Bildung hineingearbeitet. Bildung ist die Nahrung, die besonders befriedigt, wenn es an anderer Nahrung mangelt: an emotionaler Wärme, an Verständnis, an Liebe. Nicht selten waren die Betroffenen einst „ehrgeizige Mädchen“, die aus desolaten Zuständen herausfanden.

Schwerste Schicksale als Kind sind kaschiert

Als Psychotherapeutin mit Interesse an frühen Störungen treffe ich immer wieder auf Akademikerinnen, die als Kind auf verschiedenste Weise Vernachlässigung, Alkoholismus der Eltern oder auch quälende medizinische Behandlungen in den ersten Lebensjahren (z.B. die Vojta-Therapie) erlitten haben. Es ist ihnen oft nicht anzusehen, doch diese Frauen erlebten schwere Bindungs-Traumata, das heißt: Das Trauma war die Bindung selbst. Sobald Nähe entsteht, kann es zu schwierigen inneren Zuständen kommen. Wer sich durch Bildung befreien und sich in eine sicherere Welt flüchten konnte, der achtet darauf, dass der Partner das wichtigste Kriterium erfüllt: Er sollte gebildet sein, damit es möglich ist, die mit vielen Entbehrungen erreichte geistige Welt mit ihm zu teilen.

Jahrelanges Single-Sein kann sich anfühlen wie ein Dauer-Liebeskummer.

Die Ausbildungswege sind lang und die persönliche Entwicklung dauert ebenso lange. Schon bald kommt die Zeit, in der man feststellt, „alt“ geworden zu sein. Für viele ist es ein elementarer Schmerz, trotz vielleicht biologisch vollkommener Gesundheit kein Kind bekommen zu haben. Es ist ein furchtbarer Schmerz, dass der Traum von Mann, Haus und Kindern nie Wirklichkeit wurde. Es ist für so manche Frau so, als sei sie vom kleinen Mädchen direkt in die Wechseljahre gesprungen und als habe sie die wertvollen Jahre der Blütezeit nicht genießen können.

Netzwerken hilft nur bedingt – das Leid jeder Einzelnen ist höchst individuell, sodass sich Frauen, die keinen Trost bei Frauen in ähnlichen Lagen finden, rasch wieder zurückziehen.

Auch sitzen viele relativ einsam auf ihren beruflichen Posten und kommen von dort schlecht weg. Mich wundert es nicht, dass das Suizidrisiko bei Ärztinnen deutlich höher ist als bei Nicht-Ärztinnen (Dutheil F. et al., 2019). Die vielen Regularien und Hürden der Weiterbildung, die erschöpfenden Nacht- und Wochenenddienste sowie Hierarchien in der akademischen Welt nehmen den Frauen viel Kraft und Kreativität. Die Hoffnung zu behalten, fällt vielen schwer. Sie glauben: Wer im Studium keinen Mann fand, für den ist’s eh zu spät.

Schlaflosigkeit: Das Leiden an der Abwesenheit eines anderen

Die Unruhe, die das Alleinsein auslösen kann, kennen viele Betroffene. Depressionen, Angst- und Panikstörungen, Burnout und viele andere Beschwerden können auftreten, vor allem in der Zeit der anstehenden Wechseljahre, die anzeigt, dass die Zeit der „biologischen“ Familiengründung nun endgültig vorbei ist.

Doch was lässt hoffen? Hoffen lässt eben diese Bildung.

Alleinstehende Akademikerinnen führen mitunter ein intensives geistiges und sinnliches Leben voller Liebe für andere. Viele haben ein gutes Gespür für sich selbst und andere entwickelt. Sie haben die besten persönlichen Voraussetzungen, einen Mann für sich zu finden. Manche Akademikerinnen waren mitunter Jahrzehnte auf der Suche nach ihrem Partner – bis sie herzensgebildete Akademiker als Partner gefunden haben.

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 5.2.2019
Aktualisiert am 8.11.2023

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