
Wer schwer traumatisiert ist, für den gehört der schlechte Schlaf wie das Amen zum Gebet. Viele leiden darunter und viele haben auch Angst, denn sie haben gehört, dass extremer Schlafmangel Psychosen auslösen kann. Doch es nützt wenig, sich jetzt damit „verrückt“ zu machen. Wer mehr über den Schlaf weiß, kann sich beruhigen.
Viele kennen die Schlaflosigkeit von Kindes Beinen an. Doch viele haben sich damit gut eingerichtet: „Ich repariere nachts die Laptops meiner Kunden und schlafe eben, wenn es hell ist“, sagt ein Betroffener.
„Für mich ist der Fernseher die beste Schlafhilfe – ich lasse ihn leise laufen und höre die Stimmen z.B. aus Dokumentarfilmen. Es lullt mich ein, ich fühle mich dann nicht mehr so allein“, sagt ein Betroffener.
Es spricht nichts dagegen, nachts aufzustehen und sich ein Ritual einzurichten. Manche kochen sich einen Tee, trinken einen heißen Kakao oder gehen nochmal an den Schreibtisch. Manche twittern oder mailen in aller Ruhe. Zu wissen, dass der Schlaf in Phasen unterteilt ist und dass früher die Menschen nach vier Stunden Schlaf auch nochmal aufgestanden sind, um Tee zu trinken, hilft vielen.
Beim Schlaf ist es wie mit der Verdauung: Es kommt alles von alleine. Darauf zu vertrauen, haben viele Menschen verlernt. Die Schlaflosigkeit kann zum Ärgernis werden – viele macht es traurig oder wütend und der Schlafmangel verschärft die Sorge, am nächsten Tag nicht leistungsfähig zu sein. Doch wenn man sein Leben darauf ausrichtet und diese Grenzen annehmen kann, dann lässt es sich tatsächlich oft so einrichten, dass die nächtlichen wachen Stunden nicht mehr stören. Manchmal kann man sie dann sogar genießen.
In der Psychoanalyse spielt der Schlaf des Patienten im Gespräch meistens kaum eine Rolle. Schlafmangel und Schlafstörungen gehören zu den – oft lebenslangen – „natürlichen“ Nachwehen von Traumata.
Der Patient in der Psychoanalyse nimmt auf der psychoanalytischen Couch körperlich die Vorstufe zum Schlaf ein und erzählt von seinen Träumen. Manchmal schlafen Patienten in der Psychoanalyse tatsächlich auf der Couch ein. Und es kann auch passieren, dass der Analytiker selbst in seinem Sessel hinter der Couch einnickt. Manchmal ist es purer Schlafmangel, aber manchmal eben auch unbewusste Kommunikation. Über die „Müdigkeitsreaktion“ des Analytikers schreibt der Psychoanalytiker Ralf Zwiebel (DPV, Kassel) in seinem wunderbaren Buch „Der Schlaf des Analytikers“, Klett-Cotta, 2010.
Medikamente lösen die Schlafprobleme nicht
„Der Patient ist jetzt gut eingestellt“, sagen Psychiater. Doch wenn man in Patientenforen nachliest (z.B. „Wach trotz Zopiclon“, Onmeda 2011), wie die Betroffenen zu Hause weiterhin ratlos bleiben, wird doch deutlich, dass sich Schlafstörungen nicht so leicht beheben lassen.
Gelassenheit
In einer Psychoanalyse kann sich der Schlaf über die Jahre der Behandlung verbessern. Je besser es den Betroffenen psychisch geht, umso besser wird der Schlaf. Diese langsame Entwicklung lässt sich im engen Patientenkontakt oft gut beobachten, aber es dauert oft Jahre, bis sich beim Thema „Schlaf“ etwas tut. Doch wer schwer traumatisiert ist, hat sich oft schon seit der Kindheit auf seine Schlaflosigkeit eingerichtet.
Verwandte Artikel in diesem Blog:
- Schlaflos
- Panikattacken in der Nacht
- Die Cortisol-Uhr
- Alpha-Wellen im EEG
- Traum: alle Beiträge auf einen Blick
- Schlafen Sie gut! So sieht normaler Schlaf aus
- Das Drei-Uhr-morgens-Phänomen: das Gefühl, sofort handeln zu müssen
- Yoga verbessert Schlaf
Literaturtipps:
Verinder Sharma and Dwight Mazmanian (2003):
Sleep loss and postpartum psychosis
Volume5, Issue2, April 2003: Pages 98-105
https://doi.org/10.1034/j.1399-5618.2003.00015.x
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1034/j.1399-5618.2003.00015.x
West, Louis Jolyon et al. (1962):
The Psychosis Of Sleep Deprivation
Annals of the New York Academy of Sciences
Volume 96, Issue 1, January 1962: Pages 66-70
https://doi.org/10.1111/j.1749-6632.1962.tb50101.x
https://nyaspubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1111/j.1749-6632.1962.tb50101.x
J. B. D. Wright (1993):
Mania Following Sleep Deprivation
The British Journal of Psychiatry, Volume 163, Issue 5 November 1993 , pp. 679-680
https://doi.org/10.1192/bjp.163.5.679
https://www.cambridge.org/core/journals/the-british-journal-of-psychiatry/article/mania-following-sleep-deprivation/FD7A9DB2BBEDA0EA011F266A4D397031
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 28.11.18
Aktualisiert am 22.9.19
Nicoletta22 meint
Ich gehöre zu den „Glücklichen“, die seit Jahren dank Medikamente gut schlafen. Ohne sie – da bin ich relativ sicher – wäre mein Genesungsweg nicht so zu Stande gekommen. Trotzdem wünsche ich mir mittelfristig auch wieder ohne schlafen können, da werde ich wohl auch mit einigen halb-schlaflosen Nächten leben müssen.