
Wir können uns gut betäuben: mit Milch, Schokolade, Süßigkeiten, Fernsehen, aber auch mit einer starren Körperhaltung. Wenn uns etwas zu viel wird, dann können wir „zumachen“ – wir bekommen eine versteinerte Mimik, verschränken die Arme, ballen die Fäuste und spüren nichts mehr. Der Schmerz ist ausgeschaltet. Die Kränkungen prasseln an uns ab. Wir schützen uns mit diesem Zumachen. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Aber dann merken wir: Wir bleiben zu. Nicht nur der Schmerz, sondern auch jedes andere Gefühl ist weg. Wir können mit dem anderen nicht mehr wirklich kommunizieren. Und wie kriegen wir uns wieder „auf“? Wie können wir wieder mitfühlen – mit uns selbst und anderen?
Um wieder fühlen zu können, ist es wichtig, dass wir uns wohlfühlen. Angst, Wut, Neid, Mangelgefühle, Schmerzen, Gekränktsein, Eifersucht, Selbsthass – das alles sind Gefühle, die uns dazu verleiten, uns „zuzumachen“. Oft sind wir auch so im Berufs-, Alltags- und Beziehungsstress, dass wir nichts mehr fühlen. Um wieder „aufzumachen“, brauchen wir Ruhe.
Wenn wir uns verschlossen haben, ist es oft nicht leicht, uns wieder zu öffnen. Manchmal hilft warten.
Die Sinne anregen
Wir können wieder wach werden, wenn wir unsere Sinne anregen. Wir können einmal spüren, wie wir durch die Nase atmen. Vielleicht fühlt sich die Nase ebenfalls „wie zu“ an. Vorausgesetzt, wir sind nicht erkältet, können wir unserem Luftzug durch die Nase nachspüren. Wir können versuchen, „feiner“ zu atmen. Dabei merken wir vielleicht, wie sich etwas verändert: Wir werden wieder aufmerksamer, fühlen uns wieder verbundener mit uns und den anderen. Der Blick des anderen erreicht uns wieder und wir können langsam wieder mitschwingen.
Den Mund leicht öffnen und den Kontakt zum Körper und zum Boden herstellen – das kann helfen, auch den Kontakt zu sich und den anderen wiederzufinden.
Musikstimmen verfolgen
Auch Musik kann uns dabei helfen, wieder „auf“ zu gehen. Es gibt Musikstücke, die komplex zusammengesetzt sind. Wenn wir solche Stücke hören und uns mit unseren Ohren sozusagen in eine Stimme einklinken und nur diese Stimme verfolgen, können wir eventuell auch spüren, wie unsere Mauer an Dicke verliert. Wir können auch danach lauschen, ob vielleicht ungewöhnliche Stimmen in der Musik enthalten sind: Vielleicht können wir eine Cembalo-Stimme erfassen. Wir müssen unsere Ohren da „auf ganz fein“ stellen.
Hier eignet sich „ungewöhnliche“ Musik wie z.B. von Ludovico Einaudi oder Philip Glass (American Four Seasons). Auch klassische Musik eignet sich wie Bachs Johannespassion. Chormusik oder kirchliche Musik können die Ohren öffnen (z.B. Hans Jürgen Hufeisen: Klang der Schöpfung). Manche gehen im Jazz auf, andere im vedischen Chanten (Beispiel: youtu.be/F1At5EcPM1M). Wie auch immer – über den bewussten Einsatz unserer Sinne – und auch unserer Stimme – können wir wieder den Weg nach draußen finden.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 31.1.2017
Aktualisiert am 20.9.2019
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