
In der Psychoanalyse (im Liegen) und psychoanalytischen Therapie (im Sitzen) wird viel geschwiegen. Manchen Patienten ist das oft unangenehm und sie vermeiden das Schweigen. Sie ertragen „die Intimität der Stille“ nicht, wie der Psychoanalytiker Harold Searles schreibt im Buch „Der psychoanalytische Beitrag zur Schizophrenieforschung“ schreibt (S. 159). Doch die nonverbale Kommunikation ist einzigartig und ein wichtiger Baustein in der psychoanalytischen Therapie – besonders in der Therapie schwer kranker Patienten.
Kommunikation ist auch ohne Blicke und Mimik möglich
Im Sitzen (oder beim Gehen im Freien) werden zahllose Blicke ausgetauscht. Man erkennt „Zärtlichkeit, Belustigung, Behaglichkeit, Verlegenheit und dergleichen mehr“ (Searles, S. 159). Liegt der Patient in der Psychoanalyse auf der Couch und kann man sich nicht sehen, spielen Atemgeräusche, Darmgeräusche, Düfte und Gerüche, Bewegungen mit den Händen und Beinen, Schluckgeräusche, Gähnen usw. eine Rolle. Manchmal schweigen Patient und Therapeut immer wieder sehr lange.
Die nonverbale Kommunikation ist echt
Harold Searles (1918-2015) gelang „zu der festen Überzeugung, dass eine derartige nicht-verbale Kommunikation echt, gültig und verlässlich sein kann.“ Er „erkannte auch, dass sogar eine verbale Interpretation den Wert der nicht-verbalen Kommunikation nicht hätte beeinträchtigen können“ (S. 159).
Es gilt, einer „rein nicht-verbalen Kommunikation mit einem Mitmenschen zu vertrauen und die ihr innewohnende tiefe Bedeutung zu erfahren“ (Searles, S. 160).
In dem Film „Take these broken wings“ sprechen Analytiker über ihre Arbeit mit schizophrenen Patienten. Ein Analytiker (Dr. Dorman) beschreibt, wie er über einen langen Zeitraum einfach nur 50 Minuten mit seiner Patientin da saß und schwieg.
Averbale Kommunikation vor verbaler Kommunikation
Searles: „Ich stimme mit Ruesch (1955) völlig überein, wenn dieser erklärt, dass der Patient kommunikative Erfahrungen auf nicht-verbalem Gebiet machen muss, bevor er mit anderen verbal verkehren kann.“
(Harold Searles 1965, S. 159, Jurgen Ruesch 1955, S. 326)
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Links:
Ruesch, J (1955):
Nonverbal Language and Therapy.
Psychiatry 18, 232-330
DOI:10.1521/00332747.1955.11023017
www.tandfonline.com
Searles, Harold F. (1965/2008):
Der psychoanalytische Beitrag zur Schizophrenieforschung
Original: Collected Papers on Schizophrenia and Related Subjects (1965)
Buchreihe: Bibliothek der Psychoanalyse
275 Seiten, Broschiert, Format: 148 x 210 mm
Verlag: Psychosozial-Verlag
Erschienen im Juli 2008
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 6.2.2016
Aktualisiert am 12.10.2019
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