
„Fühle ich mich zu krank oder kann ich mich noch in die Stunde schleppen?“ Eine schwierige Frage, die wohl fast jeder (angehende) Psychoanalytiker kennt. „Werde ich die Stunde durchhalten können?“, lautet die bange Frage. Wie man sich entscheidet, hängt von der allgemeinen Verfassung ab.
Während ich früher im Zweifel die Stunde eher absagte, lasse ich sie heute eher stattfinden. Meiner Erfahrung nach verkraften die Patienten es besser, wenn die Stunde stattfindet, auch wenn man nicht ganz auf der Höhe ist, als wenn man sie absagt.
Auch für mich selbst fühlt es sich oft besser an, die Stunde mit Erkältung „durchzuhalten“, als sie abzusagen. Es braucht ein gutes Körpergefühl, um entscheiden zu können, ob man durch das Weiterarbeiten etwas verschleppt oder ob man es ohne „Folge-Verschlimmerung“ verkraften kann. Niemand kann hellsehen – es kann so oder so ausgehen. Ob man sich so oder so entscheidet, hängt auch von den allgemeinen aktuellen Lebensumständen ab.
Entscheidungen
„Soll ich mich noch kurzfristig zu dieser Veranstaltung anmelden und die Sitzung verschieben, oder auf den interessanten Abend verzichten?“ – das ist eine ganz andere Frage. Hier ist es eher sinnvoll, auf die interessante Veranstaltung zu verzichten. Patienten sind unglaublich empfindlich, was das Nicht-Einhalten von Stunden angeht. Der gesamte analytische Prozess wird durch ausgefallene Stunden gestört.
Auf die Gesundheit zu achten, ist für Psychoanalytiker besonders wichtig.
Verschieben oder ausfallen lassen? Hier macht jeder seine eigenen Erfahrungen. Manche Analytiker sagen, es sei leichter, eine Stunde ganz ausfallen zu lassen, als sie zu verschieben, andere sehen es anders. Hier muss man wieder nach dem eigenen Gefühl gehen. Die Antwort ist auch abhängig davon, wie oft der Patient pro Woche kommt. Ob er schon lange kommt oder ob die Analyse noch jung ist, führt auch zu unterschiedlichen Überlegungen. Es gibt keine Null-Acht-Fünfzehn-Antworten, doch es ist wichtig, dieses Thema mit viel Bedacht anzugehen und nicht „einfach so“ zu entscheiden.
Ankündigungen
Ferientage sollten immer lange Zeit im Voraus angekündigt werden. Wird der Patient überraschend und zu spät mit Praxisferien konfrontiert, kann es sogar dazu kommen, dass er die Therapie abbricht. Ein Außenstehender wird sagen: „So ein Theater!“, doch wer sich als Patient im psychoanalytischen Prozess befindet, der weiß, wie empfindlich dieses System ist. „Mir hat das gar nichts ausgemacht“, sagen manche Patienten zuerst, wenn der Therapeut „vergessen“ hat, freie Tage rechtzeitig anzukündigen. Doch im Laufe der weiteren Analyse zeigt sich oft, wie sehr er doch darunter leidet.
Regression bedenken. Ein Patient, der sich auf die Analyse eingelassen hat, befindet sich in einem regressiven Zustand. Er ist empfindlich – das Bewusstsein dafür entwickelt sich meistens in der Ausbildung. Doch auch, wenn man selbst spürt, wie empfindlich man selbst in der Lehranalyse ist, kann es sein, dass man den Patienten für „robuster“ hält als sich selbst. Selbst augenscheinlich „stabile“ und „hochstrukturierte“ Patienten in hohen beruflichen Positionen können höchst empfindlich auf Terminausfälle und -verschiebungen reagieren.
Allein die Stabilität wirkt heilend
Wie die Stunden verlaufen, ob es „gute“ oder „schlechte“ Stunden sind, was der Analytiker sagt oder nicht sagt – all das ist natürlich wichtig für die Analyse. Aber unabhängig von all dem wirkt sich auch allein die sichere Regelmäßigkeit der Stunden heilsam aus. Finden die Sitzungen so gut wie immer statt, gewinnt der Patient Sicherheit. „Mein Therapeut wird da sein. Er ist gesund, ich muss mir keine Sorgen machen“ – dieses sichere Gefühl kann der Patient nur entwickeln, wenn die Sitzungen so gut wie immer stattfinden.
Dunja Voos meint
Liebe Melande,
„Was mach` ich nun mit dieser Erfahrung und der Erinnerung daran?“
Ich weiß es nicht :-( Es klingt sehr traurig und ratlos. Vielleicht können Sie mit irgendwem nochmal darüber sprechen – mit ihm selbst oder mit einem anderen Therapeuten.
Melande meint
Mein Psychotherapeut (der auf seinem Praxisschild u.a. „Psychoanalyse“ stehen hat) hatte das Ende meiner Therapie nicht kommen sehen, ICH hatte darauf aufmerksam gemacht, und, als er dann in seinem Kalender nachschaute, waren es nur noch 2 oder 3 Stunden, weniger, als von mir erwartet. In der letzten Stunde habe ich mich getraut (wie auch vorher schon, – ich fühlte mich schon länger nicht mehr von ihm verstanden -), Kritik an dem Verlauf und an ihm zu äußern. Es prallte wieder alles an ihm ab. Es kam nie eine Resonanz, die mir gezeigt hätte, dass er sich in mich hineinversetzen konnte. Ein paar Minuten vor dem Schluß der letzten Stunde bin ich aufgestanden (von ihm kam wie immer „Wir haben noch ein paar Minuten.“) und `rausgelaufen, ich glaube mit einem Türenknallen.
Was mach` ich nun mit dieser Erfahrung und der Erinnerung daran??
Einen lieben Gruß von
Melande