
„Ich habe Angst, auf ewig verdammt zu sein. Ich fühle mich brüchig, habe das Gefühl, verrückt zu werden und bin dann überzeugt davon, dass ich verdammt bin.“ So oder ähnlich denken und fühlen nicht wenige Menschen. Als Diagnose oder Befund schreiben Psychiater dann unter Umständen: „Generalisierte Angststörung“, „Panikstörung“, „Depersonalisation und Derealisation“, „Borderline-Störung“ oder „Affektive Psychose“. Doch was nutzt das den Betroffenen? (Text & Bild: © Dunja Voos)
Im Zwiespalt
Manche fühlen sich etwas erleichtert, wenn ihr Gefühl einen Diagnose-Namen bekommt; andere haben das Gefühl, eine Diagnose ist wie ein „Abhaken“ oder „Abtöten“ von etwas, das verstanden werden möchte. Das Gefühl, auf ewig verdammt zu sein, ist vielleicht erklärbar, wenn man mit dem Betroffenen zusammen auf die Suche gehen kann.
Müdigkeit, Hunger, Erschöpfung, Kälte, Bedrängtsein, Einsamkeit, ein strenges Über-Ich und Hyperventilation können zu dem unangenehmen Gefühl beitragen.
Frühe Gefühle
In einer Psychoanalyse hat man mehr Zeit und Raum, diesem Gefühl des Verdammtseins nachzugehen. Häufig fühlen sich Menschen so, die in frühester Kindheit wiederholt gewaltsame Erfahrungen (aus meiner Sicht gehören da auch Therapien, Operationen, Vojta-Therapie dazu), Vernachlässigung, Trennung, Alleinsein oder Nicht-Verstandenwerden erlebt haben. Die emotionalen Zustände, in die kleine Kinder geraten können, sind extrem. Die Kinder fühlen sich existenziell bedroht und das Besondere dabei: Der Zeitrahmen entfällt. In dem schrecklichen Gefühlszustand hört das Zeitgefühl auf bzw. bei kleinen Kindern ist das Zeitgefühl noch gar nicht entstanden.
Unser Unbewusstes ist stärker als wir es mit unserem bewussten Denken sind. Wenn wir viel Unverarbeitetes darin liegen haben, leiden wir besonders stark unter dem Gefühl, keine Kontrolle über uns zu haben. Es ist, als geschehe „Es“ mit uns. Erst, wenn wir uns (mit der Hilfe eines andereen) stückchenweise verstehen lernen, geht es uns besser. Dennoch sind wir nie vor den Gefühlen von Kontrollverlust geschützt. Es ist wie mit dem Schlaf, der ja auch „Kontrollverlust“ ist: Wir werden auch wieder wach werden.
Auch, wenn uns Dinge im Leben immer wieder entgleiten und wenn sie „schief gehen“, wenn wir ständig „Pech“ haben, können wir das Gefühl haben, „verdammt“ zu sein. Oft liegen aber unbewusste Aggressionen, Rachegelüste, Schuldgefühle oder Selbstbestrafungen darunter.
Erneut
Wenn wir uns dann als Erwachsene plötzlich so fühlen, wie wir uns in der frühen Kindheit in unseren schrecklichsten Situationen fühlten, dann entsteht das Gefühl der Zeitlosigkeit erneut. Sich wirklich, wirklich furchtbar zu fühlen, sich verlassen und unverstanden zu fühlen, in schrecklich psychischem Schmerz zusammen mit dem Gefühl: „Das hört nie mehr auf“, das ist „Verdammnis“. Wenn wir aus diesem psychischen Zustand wieder herauskommen, sind wir erleichtert, fürchten aber auch, dass es wiederkommen könnte.
Wenn wir in dem Zustand des zeitlosen Verlorenseins sind, helfen uns auch die schönsten Erklärungen möglicherweise nicht. Aber wir können immer wieder feststellen, dass diese schrecklichen Zustände doch enden. Darauf können wir uns verlassen oder zumindest können wir darauf hoffen, wenn wir wieder in so einem schrecklichen Zustand sind. Und wir können üben, unser System so zu stabiliseren, dass diese Zustände seltener werden, z.B. indem wir Yoga lernen, Meditation, Tai Chi, Chi Gong oder ähnliches.
Dunja Voos meint
Dank Dir, liebe Ivyglas, für Deinen Kommentar. Ich habe den Text nun wenigstens ein bisschen abgerundet. Herzliche Grüße, Dunja.
ivyglas meint
Liebe Dunja, Danke für diesen berührenden Text, einer von so vielen! Dieser hört für mich allerdings so abrupt auf. Was kann denn helfen im Zustand des zeitlosen Verlorenseins? (Vorletzter Satz). Liebe Grüße Y.