
Neulich sprach ich mit einem Psychoanalytiker, der noch nie selbst auf der Couch lag und selbst die Couch in der Psychoanalyse nicht nutzt. Ich kann mir kaum vorstellen, wie es möglich ist, auf dieses wertvolle Instrument zu verzichten. Natürlich gibt es Psychoanalysen, die nur im Sitzen durchgeführt werden können, weil der Patient es kaum aushält, auf der Couch zu liegen oder/und weil es wichtig ist, dass Blickkontakt besteht. Aber warum ist die Couch ein so wichtiger Bestandteil der Analyse? (Text & Bild: © Dunja Voos)
Asymmetrie
„Ich möchte eine Psychotherapie auf Augenhöhe“, sagen viele. Die Couch führt dazu, dass die Beziehung zwischen Analytiker und Patient asymmetrisch wird. Die meisten Psychoanalytiker sprechen auch immer noch von „Patient“ und nicht von „Klient“, was vielleicht schon zeigt, dass der Patient wirklich Patient sein darf: ein schwer Leidender, der beim Analytiker Hilfe sucht.
Der Analytiker sitzt, der Patient liegt – diese Vorstellung kann viele Gefühle wecken, z.B. Ärger. „Ich sehe nicht ein, dass ich mich dem Analytiker unterwerfen soll“, könnte der Patient sagen. Und schon haben wir vielleicht ein Thema, das im Leben des Betreffenden eine wichtige Rolle spielt: Macht und Unterwerfung.
Die Couch ist eine „Couch des Anstoßes“ – sie dient unter anderem dazu, wichtige Lebensthemen wachzurufen. Die Couch provoziert, lässt sexuelle Phantasien entstehen, erregt, verärgert, aber irgendwann merkt der Patient: sie entspannt.
Der Analytiker behält den Überblick, während sich der Patient in seinen Erzählungen „verliert“.
Entspannung
In manchen psychotherapeutischen Praxen stehen „Pseudo-Liegen“ und „Pseudo-Couches“ – der Patient kann sich nicht wirklich hinlegen, sondern bleibt in halbsitzender Position stecken. Auf der „echten Couch“ liegt der Patient flach. Das heißt, er kann sich richtig entspannen. Viele Patienten brauchen eine Weile, bis sie zu diesem Punkt kommen können, aber die meisten schätzen es irgendwann sehr, sich „richtig“ hinlegen zu können.
Die Couch wird vom Patienten teilweise als der „erweiterte Körper“ des Psychoanalytikers erlebt. Der Patient fühlt sich „wie im Schoß“ des Analytikers. Manchmal taucht auch die Phantasie auf, sich wie im Bauch der Mutter zu fühlen.
Die Couch gehört dem Patienten
Der Patient macht die Couch irgendwann zu „seiner“ Couch. Es ist sein Platz, auf dem er thront, den er für sich hat, den er sich einrichten kann. Es fühlt sich irgendwann an wie ein Stück „Besitz“. Manche decken sich gerne zu, andere würden die Decke nie benutzen. Riecht die Decke nach dem Parfum des Vorgängers, tauchen Eifersucht und Körpernähe schnell als Themen auf.
Viele liegen anfangs auf der Couch wie „aufgebart“. Die Themen Sterben, Tod, Ohnmacht, Hilflosigkeit werden durch die Couch wachgerufen. Die meisten Patienten liegen auf dem Rücken, manche auf der Seite – sehr selten gibt es Patienten, die sich auf den Bauch legen oder mit dem Kopf zum Fußende, um den Analytiker sehen zu können. Was der Analytiker dem Patienten gewährt, hängt von Patient, Analytiker und der Beziehung der beiden ab.
Die Couch wird für den Patienten zum eigenen Ort. Da der Analytiker hinter ihm sitzt, können sich beide nicht ins Gesicht sehen. Die Ohren werden groß, man lauscht mehr auf Körpergeräusche und die Stimme. Manchmal hört es sich an, als würden zwei vertraute Menschen kurz vor dem Einschlafen miteinander sprechen.
„Privatheit“ ist möglich
Der Patient hat die Freiheit, zu gucken, wie immer er mag. Das gibt ihm auf der Couch das Gefühl von Unabhängigkeit, Eigenständigkeit, aber auch „Privatheit“. Auch ist es leichter, schambesetzte Themen anzusprechen. Der Analytiker ist ebenfalls froh, seine Mimik nicht mehr kontrollieren zu müssen. Auch er hat hinter der Couch seinen eigenen Raum. Oft haben beide die Augen während der Sitzung geschlossen. Durch das asymmetrische Setting hat jeder seinen „eigenen Ort“. Das sorgt bei beiden für Entspannung.
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Koenig meint
Die Argumentation klingt logisch, wenn die Couch ein Angebot ist und keine Pflicht. Das habe ich leider schon anders erlebt. Und wenn man gerade zutiefst verzweifelt ist und panisch, braucht man Augenkontakt. Das war bisher mein Problem mit der Analyse, ich hatte das Gefühl, für akute Zustände eignet sie sich nicht, mehr so zum allgemeinen „Plaudern“ und sich Iin Ruhe selbst erkunden. Ich habe in einer Tagesklinik diese Art der Therapie kennen gelernt, wo das Setting nicht so streng gehandhabt wurde (ohne Couch) und der Therapeut ein sehr sehr kluger Mann war. Aber die dann folgenden ambulanten Analyseversuche waren die Hölle, entweder ein „Reden mit der Wand“ fast ohne Resonanz oder eine sehr forsche Theraputin, die aber selbst panisch wurde, wenn man verzweifelt war, und einem die Krankheit vorgeworfen hat. Eine Verhaltenstherapie hab ich als viel „normaler“ empfunden vom Umgang her und finde es sehr schade, dass Analytiker (zumindest die ambulanten, die ich kenne) mit dieser Dogmatik (Couch muss sein, und direkte Antworten gibt es aus Prinzip nicht, nur Gegenfragen) einen so künstlichen, unflexiblen Rahmen setzen.