
Der Psychoanalytiker sitzt und der Patient liegt. Es gibt eine Übertragung und eine Gegenübertragung. Aber die Psychoanalyse bleibt hier nicht stehen. Wenn zwei sich unterhalten, entsteht immer etwas Drittes. Im Behandlungszimmer entsteht eine spezielle Atmosphäre zwischen Analytiker und Analysand.
Manchmal scheinen Mutter oder Vater des Patienten geradezu anwesend zu sein, manchmal ist deren Abwesenheit spürbar. Bei Analytiker und Analysand entstehen gemeinsame Phantasien. Dies alles, was sich in der Analyse ausbreitet, wird als „Psychoanalytisches Feld“ bezeichnet. Geprägt wurde der Begriff Anfang der 60er Jahre von den Psychoanalytikern Madeleine Baranger und Willy Baranger und nochmals neu von Antonio Ferro, 2003.
„Seinen Ausgang nahm das psychoanalytische Feldkonzept in den 60er Jahren durch die Arbeiten von Willy Baranger (1922-1994) und Madeleine Baranger (1920-2017). Charakteristisch für das Feldkonzept ist die Verwendung eines narrativ-tranformativen Stils, sodass Analytiker und Analysand gemeinsam ein sich fortlaufend änderndes Narrativ neuer Inhalte und Bedeutungen weben.“
Ingo Focke, Harald Kamm: ZwischenWelten – Das Psychische und die Welt im Wandel. Jahrestagung der DPG vom 25.-28.5.2017 in Nürnberg.
Man kann sich das Gesagte und das Geschehene wie etwas Gewebtes vorstellen. An diesem Gewebten arbeiten beide und es kann in verschiedene Richtungen „weitergestrickt“ werden. Mit der Richtungsänderung verändert sich auch die Atmosphäre zwischen beiden.
Es gibt zunächst ein „bipersonales Feld“: Da ist der Psychoanalytiker und der Patient. Dann wird dieses Feld (wie eine Bühne) „bevölkert“, indem der Patient von seiner Schwester, seinen Eltern, seinem Hund erzählt. (siehe Ferro 2003: Das bipersonale Feld. Psychosozial-Verlag 2003)
Das Feld breitet sich aus
Der Begriff „psychoanalytisches Feld“ ist der Gestaltpsychologie entlehnt (siehe „Feldtheorie“, Wikipedia). In der Analyse entsteht ein „bipersonales Feld“, das sich räumlich und zeitlich ausbreitet und eine Funktion hat. Obwohl nur zwei Personen anwesend sind, entsteht eine Art Triangulierung: Etwas Drittes, neu Entstandenes ist zwischen den beiden an- oder abwesend.
Wichtig ist es, dass der Analytiker sich erlaubt, sich teilweise verwickeln zu lassen. Es entsteht in der Übertragung und Gegenübertragung eine „Mikro-Neurose“ oder eine „Mikro-Psychose“ zwischen beiden. Wenn der Analytiker versteht, was vor sich geht und er eine Deutung ausspricht, dann ist das erleichternd für den Analytiker und den Patienten. Eine besondere Bedeutung haben hierbei auch die Körper des analytischen Paares – verschiedene Beschwerden und Empfindungen können auf unbewusste Prozesse hindeuten.
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Literatur und Links:
The “Field”: Antonino Ferro
„The beta-elements appear to proliferate and overwhelm the analyst or the alpha function of the field. This is until a ’super alpha-function‘ (night time dreaming) is able to metabolize the undigested beta-elements.“
www.virtualpsychoanalyticmuseum.org
Ein Film von Timothy Chan und Team des Sheridan College, Kanada 2010. „Explores the mind of a Psychologist“, schreibt Timothy Chan auf Youtube (23.8.2010):
Baranger, Madeleine and Baranger, Willy (2008):
The analytic situation as a dynamic field.
Internat. J. Psychoanal., 89: 795–826.
DOI: 10.1111/j.1745-8315.2008.00074.x
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1745-8315.2008.00074.x/abstract
Faimberg H. (1996):
Listening to listening
Int J Psychoanal. 1996 Aug; 77 (Pt 4): 667-677
www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8876328
Ferro, Antonio 2003:
Das bipersonale Feld.
Psychosozial-Verlag 2003
International Field Theory Association (IFTA)
gegründet 2015
www.internationalfieldtheoryassociation.com/about.html
Montana Katz, S.:
Contemporary Psychoanalytic Field Theory:
Stories, Dreams and Metaphor
http://iarpp.net/article/contemporary-psychoanalytic-field-theory-stories-dreams-and-metaphor/
Montana, S. (2013):
General Psychoanalytic Field Theory: Its Structure and Applications to Psychoanalytic Perspectives
Pages 277-292 | Published online: 17 May 2013
http://dx.doi.org/10.1080/07351690.2013.779894
http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/07351690.2013.779894?journalCode=hpsi20
International Psychotherapy Institute
Interview with Antonio Ferro
www.theipi.org
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 6.3.2017
Aktualisiert am 8.6.2019
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