
Manchmal tritt er nur phasenweise auf, manchmal begleitet er uns wie ein beständiges Hintergrundgeräusch: der psychische Schmerz. Menschen, die früh traumatisiert wurden, spüren ihn oft ihr Leben lang in Phasen immer wieder. Anders als bei vielen körperlichen Gebrechen können andere diesen Schmerz nicht sehen. Anstatt dem Betroffenen beizustehen, schütteln sie nur verständnislos den Kopf. Wir selbst wissen nicht, wohin mit dem Schmerz und fragen uns: Wie können wir unsere inneren Schmerzen kanalisieren? Kürzlich las ich die Überschrift: „Es fehlt uns an Klageliedern“ – das trifft das Problem. (Text & Bild: © Dunja Voos)
„Ich lege mich einfach ins Bett“, sagt eine Frau. „Ich greife zum Alkohol“, „Ich gehe joggen, esse Schokolade, bekomme Migräne“, sagen andere. Nur wenige sagen: „Ich singe dann.“
Vom Tönen
Manche Frauen, die ohne Periduralanaesthesie (PDA, Betäubung) gebären, sagen: „Ich habe meinen Schmerz irgendwie hinausgeschrien.“ Nur wenige haben das Glück, von ihrer Hebamme das „Tönen“ (Afonesis) zu erlernen. Mit gezielten Tönen begleiten sie ihren Schmerz. „Endlich hatte ich etwas an der Hand, mit dem ich meinem Schmerz eine Richtung geben konnte“, sagen die Frauen.
Vom Jammern und Klagen
Was vielen hier nur übrig bleibt, ist das „Jammern“. Doch das gezielte Wehklagen haben viele verlernt. Durch Stöhnen und Klagen kann man im Schmerz meditieren. Manchen hilft Beten, um ihr Leid an jemanden zu richten. Manche lesen die Bibel, um sich zu trösten – zum Beispiel die Psalmen, das Buch Hiob oder die Klagelieder Jeremias. Wer Yoga lernt, lernt vielleicht auch das „Chanten“, eine Art Sprech-„Gesang“, das eine oft einlullende Frequenz hat. Auf Twitter kann das Abendgebet unter #twomplet („Komplet“ auf Twitter) tröstlich sein.
Wer sich im Leid befindet, der kann ein Lied singen.
Das Leid zu kanalisieren, kann beruhigend und tröstend wirken – vor allem dann, wenn man alleine ist und niemandem „sein Leid klagen“ kann.
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Dieser Beitrag erschien erstmals am 22.12.2016
Aktualisiert am 16.12.2018
Dunja Voos meint
Ach das freut mich, liebe Fischmondfahrt! :-))
Fischmondfahrt meint
hervorragend gesungen!!! Danke für den link, Dunja!