Am 27.9.2017 zeigte die ARD den Film „Das Leben danach“ über mögliche Traumafolgen nach einer Katastophe. Bei der Love-Parade 2010 in Duisburg (siehe Deutschlandfunk) starben 21 Menschen. Der Film nach dem Drehbuch von Eva und Volker Zahn ist frei erdacht, doch er zeigt gut, was eine Posttraumatische Belastunggsstörung (PTBS) bedeuten kann. (Text: Dunja Voos, Bild: Screenshot der Website das-erste.de)
Schwere des Traumas hängt auch von Vorgeschichte ab
Ob ein Trauma schwere oder weniger schwere Folgen hinterlässt, hängt nicht nur von der Schwere des aktuellen Unglücks, sondern auch von der Vorgeschichte des Traumatisierten ab. Menschen aus behüteten Familien mit sicheren Bindungen und fehlender Gewalterfahrung erholen sich häufig schneller als Menschen, die bereits übermäßig traumatisiert sind (siehe z.B. Gunnar & Quevedo, 2007). Und so lässt auch das Familienbild der Hauptfigur Antonia (gespielt von Jella Haase) vermuten, dass das Leben schon vor der Love Parade nicht einfach gewesen ist.
Die dunkle Seite der Traumatisierten
Der Film stellt sehr gut ein häufiges Problem von schwer traumatisierten Menschen dar: Der Umgang mit ihnen ist oft schwierig. Sie verhalten sich mitunter unverständlich, verstehen sich selbst nicht und haben das Problem, dass ihnen von außen niemand das Trauma ansieht. Immer wieder tauchen Wellen der Wut und Rachsucht auf, die für die Mitmenschen schwer auszuhalten sind. Immer wieder wird das ehemalige Opfer so zum Täter. Zwar findet sich hier im Film eine extreme Darstellung dieses Phänomens, aber die Gefühle kommen sehr gut zur Geltung.
Traumatisierte Menschen in Gruppen
Gelungen ist auch die Darstellung der Selbsthilfegruppe. Gruppen, die ausschließlich aus traumatisierten Menschen bestehen, entfalten ohne äußerst professionelle und einfühlsame Hilfe oft eine schwierige, aggressive und komplizierte Eigendynamik. Der Film zeigt, welche Grausamkeit schlecht geführte Selbsthilfegruppen entfalten können.
Keine Schwarzmalerei
Es ist schwer, in einem 90-minütigen Film die möglichen Entwicklungen traumatisierter Menschen darzustellen. Doch der Film zeigt einfühlsam, dass immer wieder erneutes Aufatmen, Versuchen, Verstehen und Geduld schließlich zu einem versöhnlichen Ende führen können. Antonias Vater ist nicht nachtragend, kann ihr verzeihen. Auch Sascha „bleibt dran“ und Antonia selbst überwindet sich und geht neue Schritte.
Psychoanalytisch gesehen
Der Film zeichnet sehr gelungen den Wechsel von der sogenannten „paranoid-schizoiden Position“, in der ein Mensch blind ist für andere, nur sein eigenes Leid sieht, andere vollkommen für sich braucht, hin zur „depressiven Position“, die das „Aufwachen“, die Getrenntheit und das Bereuen widerspiegelt. Antonia ist zunächst blind vor Wut. Erst als es zur Beziehungs-Katastrophe kommt, sagt Sascha ihr, dass sie wohl erst Ruhe gebe, wenn alles um sie herum in Schutt und Asche liege. Da wird Antonia wach und begibt sich trotz ihrer Angst auf das Konzert der Band ihres Vaters. Sie hat den Wunsch, die Dinge wiedergutzumachen. Antonias Entwicklung wird in dieser kurzen Zeit sehr hoffnungsvoll gezeichnet.
Was man bei Traumatisierung tun kann
Der Film gibt quasi auch eine Anleitung zur Selbsthilfe. Das Problem nach Traumata ist, dass das gesamte psychische System auf „Hab-Acht“ eingestellt ist. Die Stressachse (die sogenannte HPA-Achse) ist hochgeschraubt. Die Panikreaktionen nach dem Trauma nutzen niemandem – sie machen alles schlimmer. Ziel ist es also, wieder einen möglichst ruhigen Geist zu bekommen. Das kann durch Psychotherapie, Psychoanalyse, aber auch Meditation und Yoga gelingen. Beeindruckend ist die Szene, in der Antonia die Kneipe betritt, in der das Konzert des Vaters stattfindet. Sie spielt gut, wie sie sich beruhigt: Das wiederkehrende Rückbesinnen auf ihre Atmung ermöglicht es ihr, sich weit in die Menschenmenge vorzuwagen, bis das Gedränge doch zu groß wird und ihre eigene Beruhigungstechnik versagt.
Bei einem psychischen „Zuviel“ bricht der Körper zusammen
Antonia erbricht, weil sie überwältigt ist – und auch das ist eine häufige Reaktion bei Traumata. Die Arbeit nach einem Trauma besteht also darin, Techniken zu finden, die einen ruhig werden lassen. Dazu gehört außerdem, aus allen Richtungen über das Problem, über sich und die anderen nachzudenken. Immer wieder dranzubleiben und Mitgefühl sowohl für sich selbst als auch für die anderen zu entwickeln, ist wichtig. Gesunde Neugier, Hoffen und Verstehen können über jahrelange Arbeit dazu führen, dass ein Trauma handhabbar wird. Diese mühselige Arbeit, die immer wieder Überwindung kostet, zeigt der Film sehr gut. Schließlich wird die Arbeit von Antonia und Sascha mit einem Gefühl des Friedens belohnt.
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Literatur:
Megan R. Gunnar & Karina M. Quevedo (2007):
Early care experiences and HPA axis regulation in children:
a mechanism for later trauma vulnerability
Progress in Brain Research, Volume 167, 2007, Pages 137-149
https://doi.org/10.1016/S0079-6123(07)67010-1
www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0079612307670101
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