
Es gibt Ärzte, die nur in Krisengebieten glücklich sind. Sie haben mit „Husten und Schnupfen“ nichts am Hut. Andere hingegen mögen die geduldige Arbeit mit Patienten, die schon wieder mit Spannungskopfschmerzen kommen. In der Psychoanalyse ist es manchmal ähnlich. „Ich kann auf keinen Fall mit magersüchtigen Patienten arbeiten“, sagt der eine. „Ich fühle mich wohl mit sehr früh gestörten Patienten. Psychosen und Borderline-Störungen finde ich so interessant, dass ich am liebsten mit solchen Patienten arbeite“, sagt der andere. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Patienten mit Süchten kommen oft nur schwer unter, doch auch sie finden manchmal „ihren“ Analytiker. Viele feine Aspekte spielen bei der Passung zwischen Patient und Analytiker eine Rolle.
Ausprobieren
Wer sich in der Ausbildung nach Patienten umschaut, entscheidet zunächst vielleicht einfach nach Sympathie und macht dann seine Erfahrungen. Doch auch hier ist das Unbewusste immer dabei. Viele entscheiden sich gleich zu Beginn für Patienten mit Störungen, die der eigenen Störung ähnlich sind. Nicht selten neigen „Anfänger“ auch dazu, sehr schwer traumatisierte Patienten anzunehmen.
Es gibt auch Überraschungen: „Ich dachte immer, ich hätte Geduld für Patienten mit einer Suchtstruktur, aber ich merke, dass das gar nichts für mich ist“, sagt man vielleicht.
Sind die Patienten allzu verschieden von der eigenen Welt oder sind sie zu gleich, lässt sich eine Behandlung kaum durchführen. Wenn der Analytiker auf einen Patienten trifft, dessen Trauma dem eigenen zu ähnlich ist, merkt er schnell, dass er sich zu sehr mitreißen und verwickeln lässt. Er verliert dann als Analytiker seine Beweglichkeit. „Ich habe gleich in der ersten Stunde gemerkt, dass mir diese Patientin zu ähnlich ist. Ich hätte nur noch weinen können“, sagt eine junge Analytikerin.
Hilfreich ist es, wenn der Patient zumindest eine gute Bezugsperson in seinem Leben hatte, die ihm viel bedeutete.
Freude bei der täglichen Arbeit
Bei der Auswahl psychoanalytischer Patienten muss man immer bedenken, dass man sie mehrmals pro Woche, gefühlt fast jeden Tag sieht. Und das vielleicht über Jahre. „Gehe ich noch gerne zur Arbeit, wenn ich diesen Patienten aufnehme?“, könnte man sich fragen. „Sie haben ein Recht auf gute Patienten“, hörte ich einmal eine erfahrene Analytikerin sagen. Dieser Gedanke kann sehr erleichternd sein.
Der Augenblick entscheidet mit
Bei Zweifeln, ob man einen Patienten aufnehmen möchte oder nicht, können manchmal wenige Augenblicke reichen, um mehr Gewissheit zu erlangen. Wenn man einen Patienten während der Sitzung aufgrund der Antipathie innerlich schon abgeschrieben hat, kann sich das nochmal ändern, wenn man beim Händeschütteln beim Abschied merkt, dass der Händedruck wirklich angenehm ist.
Ein guter Duft oder eine angenehme Stimme können unter Umständen wichtige begleitende Kriterien für die Aufnahme eines Patienten sein.
Einen geeigneten Patienten für die Psychoanalyse zu suchen, ähnelt in mancher Hinsicht einer Partnersuche. Wichtig sind Fragen wie: Interessiert sich der Patient für sich selbst? Kann er eine Bindung zum Analytiker eingehen? Wird er es schaffen, viermal pro Woche zu erscheinen? Gerade am Anfang möchte man in erster Linie „unbedingt helfen“, doch in der Ausbildung zählt auch eine gesunde Position „Egoismus“. Die Frage, ob der Patient sich für die eigene Ausbildung eignet, darf man sich stellen.
Nessaia meint
Ist ja interessant, wie die Sache aus der Sicht des Analytikers aussieht. Für einen als Patient ist es auch besser, wenn man dem Analytiker „liegt“. Da ist es schon gut, wenn der Behandler einen gar nicht erst nimmt, wenn er keine Lust hat, einen zu behandeln.